Aufklärung zum Thema Drogen

Ein ritueller Psilocybin-Abend

1. Erlebnisbericht mit Psilocybin

Ich verbringe mein Wochenende bei Peter in Berlin. Wir sind beide seit vielen Jahren eng befreundet und haben und viele dutzende von Abenden gemeinsam in Diskussionen verbracht. Eines unserer Lieblingsthemen sind „Wirklichkeiten“; ein zugegebenermaßen exotisches Thema. In seinem Kern befaßt es sich mit dem Urgrund der Welt und damit kann man wohl sagen, daß es „religiöse“ Themen im weitesten Sinne sind.

Das Wochende war bisher anregend und harmonisch. Das war ein guter Anfang für den Samstag abend, denn am letzten Wochenende hatten wir „Pilze-Abend“ geplant. Wir wollten also gemeinsam Psilocybin-Pilze zu uns nehmen. Und die Zeichen stehen gut. Es ist nicht das erste mal, also gehen wir ganz entspannt an dieses Vorhaben heran.
Das bisherige Wochenende

Gemeinsam im Freundeskreis haben wir den heutigen Samstagmittag damit basteln verbracht. Jeder konnte etwas Esoterisches bzw. Magisches herstellen.

Ich hatte ein Pentagramm aus Holz gebaut und es silber lackiert. Das Pentagramm hat für mich eine erhabene Form mit starker Symbolkraft. Unbewußt war wohl eine Vorlage von H.J. Giger meine Inspiration. Es ist durchaus gelungen, wenn auch noch gewisse Unfeinheiten im Holz mich nicht ganz befriedigten. Aber es war mein erstes Pentagramm aus Holz und war damit für mich außerordentlich befriedigend.

Peter hatte sich schon vor längerer Zeit eine Steinplatte beim Steinmetz anfertigen lassen. In ihr ist in großen Buchstaben eingemeißelt „solve et coagula“, eine uralte alchemistische Botschaft. Diese Platte mit einem Gewicht von gut 20 Kg soll bald an seinem Haus angebracht werden, um das Motto dieses Hauses nach außen hin deutlich zu machen. Er begann an diesem Samstag damit, die eingemeißelten Buchstaben mit Blattgoldfarbe auszumalen.
Die Vorbereitungen

Um 21:00 Uhr gehen also gemeinsam in die Küche zum Tiefkühlfach. Dort liegen einige kleine Klarsicht-Tüten mit kleinen, getrockneten Pilzen. An sich ganz unscheinbar – Gott sei dank hat die neue Putzfrau diese unscheinbaren Tüten nicht einfach aus Unwissenheit weggeworfen… das wäre eine bittere Enttäuschung gewesen.

Nun gut, zunächst beginnen die allgemeinen Vorbereitungen. Der Raum, in dem wir uns aufhalten wollen, wird präpariert. Kerzen werden aufgestellt. Musik wird besorgt; wir bevorzugen heute „Portishead“ – eine geniale und emotionale Musik, die so richtig aufwühlt. Ebensogut hätte es Sinead O’Connor, Lisa Gerard oder Dead can Dance sein können. Die Steinplatte bekommt einen zentralen Ort in dem gemütlichen Zimmer. Der glitzernde Stein mit der pefekten Schrift nimmt das Auge in den Bann und hämmert seine Botschaft in das Gehirn des Betrachters. Das Pentagramm wird an die Wand geleht; mit seinen ca. 60 cm Höhe wirkt es erhaben, wenn es von unten mit Kerzen angeleuchtet wird. Für Notfälle wird eine Schlüssel aufgestellt, so daß man direkt an Ort und Stelle kotzen kann. Das ist zwar erst einmal passiert, aber alleine schon die Gewissheit, daß nichts „schlimmes“ passieren kann, beruhigt den Magen und wirkt gewissermaßen als Placebo-Magenmittel. Außerdem holen wir die Tarot-Karten hervor, weil diese sehr anregend wirken können und manchmal im Gespräch mehr sagen können, als tausend Worte. Hinzu kommt noch Papier und Bleistift für eventuelle Skizzen und Notizen. Für das körperliche Wohl besorgen wir uns noch zwei Flaschen Wasser; mehr ist nicht notwendig, denn Hunger oder Appetit werden wir mit Sicherheit nicht haben. Ganz wichtig sind zwei Wolldecken, denn es wird zwischenzeitlich sicherlich mal kühl werden.

Wir freuen uns und mit einer erhabenen Stimmung gehen wir in die Küche.

Dort warten verschiedene Pilzsorten mit verschiedenen Psilocybin-Konzentrationen stehen zur Auswahl. Wir entscheiden uns für die „Schottischen“ Pilze mit mittlerer Wirkung. Schnell sind zwei Tassen Gemüsebrühe gekocht und die Pilze werden hineingegeben. Nach 10 Minuten fischen wir die Pilze mit einer Gabel wieder heraus, stoßen auf einen guten Abend an und trinken bedächtig die Brühe.
Der Trip

Zurück in unserem vorbereiteten Raum machen wir es uns gemütlich. Da wir vor kurzem unser Abendbrot gegessen hatte, ist absehbar, daß die Wirkung auf sich warten lassen würde. Aber wir haben ja jede Menge Zeit. Die nächste Stunde verbringen wir mit interessanten Gesprächen. Was bedeutet das Pentagramm für mich? Was bedeutet die wunderschön glänzende Steinplatte für Peter? Erhabene Gedanken über Sinn und Unsinn des Lebens, über Ziele und die Diskrepanz zwischen Alltag und Idealen.

Langsam werden wir still. Die Wirkung setzt langsam ein. Jeder verbringt die nächsten zwei Stunden mit sich selbst.

In meinem Fall verliere ich zunächst mein normales Körpergefühl. Alles löst sich auf und wird gewissermaßen unkörperlich. Optische Illusionen nehmen von mir Besitz. Der Boden ist lebendig. Die Rauhfasertapete tanzt zur Musik. Kerzen leuchten in prächtigen Farben. All dies interessiert mich aber nicht, denn das sind ablenkende Effekte, die mich nur daran hindern, in mich selbst einzudringen. Ich schließe die Augen. Abstrakte Formen in verrücktesten Tänzen liegen wie Schleier in meinen Augen. Ich genieße die Formen.

Dann beginnt eine Zeit, die man als „ohnmächtig“ bezeichnen könnte. Ich habe kein ICH mehr, vielmehr schwebe ich in Wirklichkeiten. Es ist meist ein unbewußter und kreativer Zustand.

Da ich das gewohnt bin, kann ich die kurzen Pausen mit ICH-Bewußtsein nutzen, um meine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Schließlich möchte ich hinterher wissen, was in mir vorging.

Nach dem Aufschreiben lege ich mich wieder hin und sofort bin ich wieder in der andern Wirklichkeit. Dort kann es passieren, daß mein Körper subjektiv mit der Umwelt verschmilzt. Philosophische Gedanken der mir höchsten denkbaren Komplexität schießen durch den Kopf. Ich stehe sozusagen neben mir und sehe die Welt aus einer anderen Dimension heraus. Tiefer Frieden erfüllt mich und ich denke, daß sich Buddha nicht anders gefühlt haben kann.

In diesem Moment bin ich absolut frei von Zeit. Diese Freiheit ist dem normalen Denken absolut unverständlich; unser normales Denken funktioniert ja garnicht ohne Zeit und Kausalität. Würde man mich jetzt ansprechen und mir die Uhrzeit sagen, so würde ich nur lachen.

(So wie Petra damals, als ich ihr – um ihre Reaktion zu testen – sagte: „Es ist jetzt 00:30 Uhr“. Sie schaute mich an und lachte. Sie war vollkommen eins mit sich und dem Universum, daß kein Platz war für eine schnöde Uhrzeit.)

Irgendwann werde ich etwas munterer und kann auch wieder sitzen. Peter neben mir ist ebenfalls aus den Tiefen seiner Träume zurück und wir beginnen wieder zu sprechen. Wir sprechen über Wirklichkeiten und über Dimensionen. Über Makellosigkeit (im Sinne Castanedas) und die Wertigkeit von Proleten und Weisen.

Wir staunen über die erhabene Schönheit unseres „Altars“. Peter sagt: „Jeder Altar ist einmalig“ und ich empfand es genauso. Deswegen schenke ich Peter spontan mein frisch gebasteltes Pentagramm, denn durch dieses Erlebnis gehört es genau hier hin und nicht zu mir nach Hause. Natürlich ist er sehr ergriffen davon.

Wir reden noch eine ganze Weile und zwischendurch bin ich auf Toilette. Es ist drei Uhr und Berlin liegt in einem tiefen Sommerschlaf. Ich genieße die frische Luft durch das offene Fenster und betrachte die Birke, die im Wind schaukelt. Was hat sie nicht schon alles gesehen? Auf dem Rückweg zu Peter denke ich noch an eine gemeinsame Bekannte; sie hat ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Ich versetze mich emotional in sie hinein und erschaudere. Es ist sicher zeitweise ein bemitleidenswerter Zustand.

Und wir reden noch weiter über Gott und die Welt. Allerdings werden die Themen merklich konkreter und „der Mensch“ wird langsam wieder zur Person. Ein interessanter Vorgang, denn in dieser Phase ist die Schnittstelle zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen.
Die Endphase

Und dann schließlich kommt die Schlußphase… es ist immer das gleiche. Wir sind beide körperlich erschöpft aber geistig topfit und befriedigt.

Plötzlich der Hunger ein, der uns blitzschnell in die Küche laufen läßt, um schnell etwas Brot zu finden. Dieses Brot nach dem Trip ist sehr angenehm; etwas Margarine darauf, das ist genug. Man verarbeitet noch die letzten Gedanken und geht dann in’s Bett. Schließlich ist es schon 03:30 Uhr.

Dieser hier von mir beschriebene Abend ist aus meiner Sicht recht typisch für Pilze.

2. Bin ich ein „Drogen-Junkie“, vor dem die Gesellschaft Angst hat?

Zugegebenerweise eine rhetorische Frage. Nein, ich bin in mehrerer Hinsicht untypisch und fühle mich von den allgemeinene Ängsten bezüglich Drogen nicht angesprochen. Warum?

Ich nutze die Pilze nicht dazu, um meine Probleme zu übertünchen oder um eine schönere Welt zu erleben.

Ich nutze die Pilze auch nicht als Partydroge – das ist nämlich gar nicht möglich (siehe mein Erlebnisbericht).

Ich sehe mich bedingt durch meine Lebensführung und durch meine jahrelange Beschäftigung mit Psychologie und Esoterik mehr wie ein Medizinmann, der Drogen nimmt. Diese Medizinmänner werden nie durch Drogen auffällig oder abhängig. Das hängt mit der inneren Einstellung zusammen.

Die Pilze helfen mir meinen Horizont zu erweitern, wie ich es durch bloße Meditation nicht erreichen kann. Sie sind für mich ein unverzichtbares Werkzeug geworden, um mein Weltbild zu vertiefen.

Von Abhängigkeit kann keine Rede sein, nicht zuletzt dadurch, daß Pilze erwiesenermaßen nicht abhängig machen können. Es ist aber auch so, daß ein Pilze-Abend anstrengend ist. Das Gehirn hat für die nächsten 4 Wochen meist keine Ambitionen mehr, sich „durchquirlen“ zu lassen.

3. Warnung: Pilze sind gefährlich!!!

Ja, Pilze sind gefährlich! Das ist jetzt keine diffuse Warnung vor Drogen, sondern eigene Erfahrung. Der obige Bericht klingt sehr friedvoll und angenehm; war er für uns auch.

Aber die Fähigkeit zum Umgang mit Pilzen habe ich im Laufe von Jahren entwickelt und ist möglich gewesen, weil ich in mehrerer Hinsicht Glück habe.

Wo liegen die Gefahren von Pilzen? Pilze sind (genauso wie LSD) Dynamit für den Kopf. Und das ist nicht übertrieben!

Das erste mal mit Pilzen hat mich innerlich zerschlagen. Ich dachte, ich müßte gleich verrückt werden. Ich betete zu meinem Unterbewußtsein, daß es jetzt mit dieser Situation alleine fertig werden müsse. Ich könne da nichts machen. Was war passiert? Als die Wirkung begann hatte ich das Gefühl, daß mir jemand mit einem Mixer durchs Gehirn ging. Oder anders ausgedrückt: Als würde mir jemand ein Gebräu aus hochwirksamen Neurotransmittern spritzen. Alles lief durcheinander, ich war gelähmt und fühlte mich so, als würde mir jemand den Stuhl unter den Füßen wegtreten. Ich war bereit zu sterben.

Glücklicherweise habe ich eine stabile Psyche und glücklicherweise beschäftige ich mich sein vielen Jahren mit meiner Psyche und mit Meditation. Und glücklicherweise hatte ich Erfahrung mit Cannabis (getrunken, nicht geraucht). Glücklicherweise habe ich langjährige, zuverlässige Freunde. Und glücklicherweise habe ich ein erfülltes und geregeltes Leben. Was sonst mit mir passiert wäre? Naja…

Jedenfalls kann ich nach diesem ersten Pilze-Erlebnis nur jeden vor einem Konsum warnen, bei dem die obigen Punkte nicht ALLE erfüllt sind. Man tut sich keinen Gefallen damit! Ich habe erlebt, wie eine enge Freundin durch die Pilze zeitweise verrückt wurde. Das war alles andere als lustig; sie war in dem Zustand der grenzenlosen Freiheit hängengeblieben, als die Wirkung der Pilze schon vorbei sein sollte – sehr unangenehm. Erwartungsgemäß hat der Nachtschlaf alles wieder geradegerückt.

 

Image: © Krasimira Nevenova / Dollar Photo Club