Aufklärung zum Thema Drogen

Drogenbericht 1998

Hier handelt es sich um ein Zitat aus der Website des Bundes-Gesundheitsministeriums

Aufgrund des extremen Informationsgehaltes nehme ich mir die Freiheit und zitiere
diesen Bericht auf meiner Website. Man möge mir verzeihen.
Um deutlich zu machen, dass dieser Spitzen-Bericht nicht aus meiner Feder
geflossen ist, verzichte ich auf eine Änderung des Layouts.

Also wenn ich immer mit der Arbeit meiner Regierung zufrieden wäre…
dann würde ich richtig gerne Steuern zahlen…
Sucht ist Krankheit.
Prävention des Drogenkonsums wird gestärkt und zielgruppenorientierter eingesetzt .
Hilfen für Abhängige werden erweitert.
Gesundheitliche Schäden des Konsums werden verringert.

Zur Bilanz des Suchtgeschehens 1998 erklärt die Drogenbeauftragte und parlamentarische Staatssekretärin, Christa Nickels:

„Die Abhängigkeit von Suchtstoffen ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Abhängigen Menschen muß mit den zur Verfügung stehenden medizinischen, therapeutischen und sozialen Mitteln geholfen werden. Deshalb hat die neue Bundesregierung durch Beschluß des Bundeskabinetts vom 18. November 1998 das Amt der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Innen- in das Gesundheitsministerium verlagert. Dieser Wechsel dokumentiert, daß in der Drogenpolitik in Zukunft die gesundheitlichen und sozialen Aspekte im Vordergrund stehen. Die Bekämpfung des kriminellen Drogenhandels ist weiterhin eine unverzichtbare Aufgabe in der Zuständigkeit des Innenministers.“

Die Zahlen des BKA für 1998
Im Jahr 1998 erhöhte sich die Zahl der polizeilich registrierten erstauffälligen Konsumenten harter Drogen auf 20.943 Personen. Dies entspricht einer Steigerung von 1,7 % gegenüber dem Vorjahr.

Die Entwicklung verlief bei den einzelnen Rauschgiftarten äußerst unterschiedlich. Während hohe Zuwächse bei Amphetamin (+ 20,2 %) und Kokain (+ 10,6 %) registriert wurden, waren die Zahlen im Zusammenhang mit Heroin (- 1,3 %), Ecstasy (- 25,5 %) und LSD (- 19,6 %) rückläufig.

1998 verstarben bundesweit 1.674 Menschen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Betäubungsmitteln. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 173 Fälle (+ 11,5 %). In den einzelnen Bundesländern sind unterschiedliche Tendenzen feststellbar. Während in Bremen, Hessen, Bayern, Brandenburg und Thüringen eine Steigerung zu verzeichnen war, sanken die Rauschgifttodesfälle in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Im Zusammenhang mit dem Konsum von Ecstasy wurden 17 Todesfälle (1997: 9; 1996: 20), im Zusammenhang mit Amphetamin 35 Fälle (1997: 31) bekannt.

Bei 240 Rauschgifttodesfällen (Vorjahr: 100) wurde Methadonkonsum registriert, in 59,6 % der Fälle lag Beikonsum weiterer Betäubungsmittel vor. 78 Todesfälle waren auf eine Überdosis Methadon oder die Kombination von Methadon mit anderen Ausweichmitteln und/oder Alkohol zurückzuführen. Ein erhöhtes Mortalitätsrisiko stellt – neben dem politoxikomanen Konsumverhalten – das in einer Reihe von Fällen registrierte Spritzen von Methadon dar. Ob der Anstieg der im Zusammenhang mit Methadon verstorbenen Rauschgifttoten auf die veränderte Substitutionspraxis nach Inkrafttreten der 10. BtMÄndV zurückzuführen ist, bedarf einer näheren Überprüfung. Nötig ist indes eine fachliche Qualifizierung der Methadonsubstitution.

Hinsichtlich der Trends bei den drogenbezogenen Todesfällen hat Deutschland nach zum Teil sprunghaften Anstiegen vom Jahre 1991 an einen eher rückläufigen Trend , wiederum allerdings mit einer Steigerung um 11,5 % im letzten Jahr. Obwohl diese Vergleiche nur zurückhaltend zu bewerten sind, da viele Faktoren die Mortalität bei Drogenabhängigen beeinflussen können, ist dies Anlass die Überlebenshilfe zu intensivieren.

Der längerfristige Trend
Neueste repräsentative Erhebungen für die Bundesrepublik belegen, dass sich bei der erwachsenen Wohnbevölkerung nach einer Phase der Zunahme des Drogengebrauchs Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre der Konsum illegaler Drogen nicht mehr erhöht hat. Drogenerfahrung überhaupt haben etwas mehr als 14% der Bevölkerung in den alten Bundesländern. In den neuen Bundesländern sind es knapp 5% der befragten Erwachsenen. Aktuell konsumieren in Westdeutschland knapp 5%, in Ostdeutschland knapp 3% der Befragten illegale Drogen.

Jugendliche probieren Drogen immer öfter
Im Jugendalter steigt die Drogenerfahrung an. So hat der Anteil der drogenerfahrenen 12-25jährigen in Westdeutschland in den 90er Jahren auf 22 Prozent zugenommen (Ende der 80er Jahre noch bei ca. 17%). Insbesondere hat sich die Drogenerfahrung seit 1993 bei den 12-17jährigen und weiblichen Jugendlichen erhöht. Der Anteil der aktuellen Konsumenten von illegalen Drogen liegt in Westdeutschland bei ca. 3%. Zugleich hat sich die Drogenerfahrung von Jugendlichen in Ostdeutschland bei illegalen Substanzen von 6 auf 17% nahezu verdreifacht.

Diese Entwicklung dürfte zu einem Teil darauf zurückzuführen sein, dass der Anteil Jugendlicher, denen Drogen angeboten wurden, von 17 auf 33 Prozent seit 1993 angestiegen ist. Zudem zeigt sich, dass ein – im Vergleich zu den westlichen Bundesländern – größerer Anteil derjenigen, die ein- oder mehrmals Drogen konsumierten, nicht wieder damit aufhören, sondern auch aktuell regelmäßig Drogen gebrauchen.

Diese Entwicklung gibt Anlass zur Sorge. Die Anfälligkeit gerade von Jugendlichen für probeweises oder dauerhaftes Konsumieren von illegalen Drogen deutet auf das Vorhandensein von latenten oder dauerhaften Problemen oder auf ein eingeschränktes Risikobewusstsein bei Jugendlichen hin. Verunsicherung und empfundene Perspektivlosigkeit insbesondere von benachteiligten Gruppen mögen hier außerdem eine Rolle spielen.

Suchtkranke MigrantInnen – eine vernachlässigte Gruppe
Es gibt eine steigende Anzahl von MigrantInnen und AussiedlerInnen unter Suchtkranken und Drogenabhängigen in den letzten Jahren. Ihr Anteil in den Beratungsstellen und Behandlungseinrichtungen dürfte zwischen 5 und 15 % liegen. Eine erhebliche Dunkelziffer nimmt die Hilfeangebote aber überhaupt nicht wahr, u.a. weil sie für diese Zielgruppe nicht ausreichend vorbereitet sind. Oft noch eingebunden in feste Familienstrukturen erleben Kinder der Arbeitsemigranten-Generation, aber auch die der Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, gleichzeitig die Auflösung der Familienbande in der deutschen Gesellschaft, sind kulturellen, sprachlichen und arbeitsmarktpolitischen Barrieren ausgesetzt und werden zunehmend mißtrauisch behandelt oder gar rassistischem Haß ausgesetzt.

Ein Beratungs- und Hilfeangebot, das den kulturellen Hintergrund der Klienten einbezieht, ist eine wesentliche Voraussetzung, um drogengebrauchende Migrantinnen überhaupt zu erreichen und ihnen angemessene Angebote machen zu können.

Strukturelle Suchtprävention verstärken
Solchen Problemen ist aber nicht mit einem gesundheitspolitischen Instrumentarium allein beizukommen. Ihre Lösung erfordert vielmehr Strategien, die von anderen Politikbereichen mitgetragen werden. Die Förderung von Familien- und Sozialpolitik, das ressortübergreifende Mitdenken und Beachten der Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen gehören mit zu einer wirksamen Bewältigung des Suchtproblems in unserer Industrie- und Konsum-Gesellschaft und sind damit wesentlicher Teil einer strukturellen Suchtprävention.

Die einzelnen Substanzen: Cannabis bleibt die am häufigsten gebrauchte Droge
Der größte Teil der Drogenerfahrung in Deutschland insgesamt, d.h. bei Jugendlichen und Erwachsenen bezieht sich auf den Konsum von Cannabis. Rund 2 Millionen Menschen zwischen 12 und 59 Jahren haben Erfahrung mit dieser Substanz. Die Verbreitung in den alten und neuen Ländern hat sich von 1990 nach 1995 deutlich vergrößert. Seitdem ist sie in den alten Ländern eher stabil. Die Zahlen in den neuen Ländern sind immer noch niedriger als im Westen, nähern sich aber in jüngeren Altersgruppen weiter an die Situation im Westen an. Gemessen an der Verbreitung der Substanz in der Bevölkerung ist die Zahl der Personen, die primär wegen eines Cannabisproblems in Behandlung war, relativ niedrig. Nur 3 bis 4% im ambulanten und unter 1% der Patienten im stationären Bereich gehören zu dieser Gruppe. Andererseits nimmt diese Zahl in den letzten Jahren im ambulanten Bereich zu, so dass genauer zu untersuchen wäre, ob neue Konsummuster mit höheren Folgerisiken entstehen oder ob es sich vor allem um Langzeitkonsumenten handelt, die nach vielen Jahren unauffälligen Konsums Behandlungseinrichtungen aufsuchen.

Zudem kann beobachtet werden, dass die Zahl der strafrechtlichen Ermittlungen gegen Cannabiskonsumenten in den letzten Jahren zugenommen hat und auf über 150.000 Verfahren gestiegen ist.

Die meisten dieser Ermittlungsverfahren werden zwar eingestellt, aber noch immer findet eine erhebliche Ungleichbehandlung der Betroffenen – vor allem in Nord- und Süddeutschland und in West- und Ostdeutschland – statt. Hier besteht Handlungsbedarf, denn es ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1994, den Eigenkonsum geringer Mengen von Betäubungsmitteln einheitlich straflos zu stellen, umzusetzen.

Heroinkonsum – Ursache für gesundheitliche und soziale Verelendung
Erfahrung mit Heroin haben ca. 0,6% der Bevölkerung im Alter von 18-39 Jahren in den alten und 0,1% in den neuen Ländern im Laufe ihres Lebens gemacht. Opiate und damit an erster Stelle Heroin sind weiterhin – wie in fast allen Ländern Europas – die illegalen Substanzen, die die meisten Probleme verursachen. Hinzuweisen ist nicht nur auf den schwarzen Markt mit seinen hohen Preisen und dem Zwang für viele Abhängige, durch kriminelle Delikte Geld für ihren „Stoff“ zu beschaffen. Besorgnis lösen auch die öffentlichen Drogenszenen in den Großstädten aus, die die gesundheitliche und soziale Verelendung vieler Heroinkonsumenten deutlich machen. Die HIV und Hepatitisinfektionen unter Drogenabhängigen stellen ein sehr ernstes gesundheitspolitisches Problem dar.

In den ambulanten und stationären Behandlungseinrichtungen der Drogenhilfe stellen die Opiatkonsumenten mit 60 bis 80% die größte Gruppe dar, die um Hilfe nachfragt.

Schadensminimierung und Überlebenshilfe
Im Rahmen niedrigschwelliger Hilfen und Konzepte bei bereits Abhängigen oder gefährdeten Personen konnten in den letzten Jahren vermehrt Drogenabhängige von offenen Drogenszenen erreicht werden. Dabei ist die Substitution mit Methadon und auch mit Codein ein wichtiger Pfeiler der Hilfen für Heroinabhängige geworden. Dennoch gibt es nach wie vor einen Anteil von heroinabhängigen Menschen, die mit den bewährten Therapien gar nicht oder nur schlecht erreicht werden. Sie sind erheblichen Risiken ausgesetzt, sich mit HIV und Hepatitis zu infizieren und gesundheitlich und psychisch zu verelenden. Hier ist dringend Abhilfe gefordert. Deshalb wurden zur Erweiterung des Maßnahmenspektrums mit dem Ziel der Verbesserung der Hilfen für Suchtkranke im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen zwei neue Ansätze festgeschrieben: Zum einen soll der Betrieb von sog. Konsumräumen, die in verschiedenen Kommunen auf rechtlich nicht geklärter Grundlage bereits betrieben werden, auf eine legale Basis gestellt werden. Zum anderen soll im Rahmen eines Modellversuchs die heroingestützte Behandlung von Opiatabhängigen erprobt werden, die mit den bisherigen Hilfemaßnahmen nicht oder nicht erfolgreich erreicht werden konnten. Hierzu wird ein wissenschaftlich fundiertes Konzept in enger Abstimmung mit interessierten Ländern und Städten entwickelt werden.

Um die Suchtkrankenhilfe zu verbessern und eine effektive, qualitätsorientierte Suchtbehandlung und gesundheitliche Versorgung der Patienten sicherzustellen, betrachtet die neue Bundesregierung diese zusätzliche Schwerpunktsetzung als Teil eines Maßnahmenbündels und wird deshalb die anderen erfolgversprechenden Bundesmodellansätze, wie z.B. das seit drei Jahren mit Ländern und Kommunen durchgeführte Bundesmodell „Kooperationsmodell nachgehende Sozialarbeit“, weiterverfolgen und dazu beitragen, das Beratungs- und Behandlungsangebot für Gefährdete und Abhängige sowie deren Angehörigen auszubauen und zu differenzieren.

Kokain – der unbekannte Suchtstoff
Die gestiegenen Zahlen von Kokainsicherstellungen durch Polizei und Zoll weisen auf eine anhaltend hohe Verfügbarkeit dieser Substanz hin. In der Heroinszene wird Kokain häufig zusätzlich konsumiert, während reine Kokainkonsumenten mit erheblichen gesundheitlichen und sozialen Problemen im Hilfesystem selten auftreten.

Über die Prävalenz des Konsums gibt es ebenso wenig exakte Untersuchungen wie über die Formen und Regeln des Konsums und des Ein- und Ausstiegs. Den wenigen bekannten Studien aus den USA und den Niederlanden sollten auch in Deutschland weitere Untersuchungen folgen.

Lifestyledrogen und Partykultur
Die große Zunahme in der Verbreitung von Ecstasy zu Beginn der 90er Jahre hat sich im letzten Jahr nicht weiter fortgesetzt. Auf der anderen Seite scheinen Amphetamine mehr Interesse als in den letzten Jahren zu finden. Die Zahl von Ecstasykonsumenten in Behandlung ist klein, was teilweise aus Zugangsbarrieren zur Behandlung und Therapie, teilweise aus der Tatsache erklärt werden könnte, dass die Konsumenten keinen Hilfebedarf erleben.

Hier liegen außer den nicht unerheblichen gesundheitlichen Gefährdungen zusätzliche Probleme darin, daß das intensive Erleben in der Partykultur die Raver in eine „Parallelwelt“ führt, die sich extrem vom Alltag in der `Normalwelt‘ unterscheidet und so psychische Probleme verursachen kann.

Das Aufkommen von Ecstasy zeigt deutlich, daß eine Analyse der Trends und Ursachen des Drogenkonsums eingebettet sein muss in die Analyse gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Jungen und Mädchen haben unterschiedliche Motive beim Konsum und müssen daher unterschiedlich präventiv angesprochen werden.

Das BMG finanziert in diesem Zusammenhang die wissenschaftliche Begleitung eines Modellprojektes in Rostock „Designerdrogen-Sprechstunde“. Ziel dieses Vorhabens, das im 4. Quartal 1998 begonnen hat, ist, zu einem frühen Zeitpunkt des Drogenkonsums Frühbehandlungs-, Ausstiegs- und Lösungsstrategien für Jugendliche zu erarbeiten. Zentrale Aufgabe ist, die Lebenssituation von jungen Menschen in ihrem familiären Kontext oder Heimen zu stabilisieren. Um Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen der Persönlichkeits- und Neurosenstruktur von EcstasykonsumentInnen zu gewinnen, fördert das BMG eine entsprechende Untersuchung, die das Universitätskrankenhaus Eppendorf durchführt.

Notwendig ist die Aufklärung über und die Minimierung der mit dem Konsum verbundenen Risiken. Dabei haben sich insbesondere Peer-to-Peer-Ansätze bewährt, bei denen die innerhalb solcher Gruppen bestehenden Kommunikationswege und -gewohnheiten, sowie die subkulturellen Verhaltenskodizes und Werthaltungen genutzt bzw. indirekt beeinflußt werden können. Dieser Ansatz wird verstärkt unterstützt.

Prävention durch Gesundheitsförderung und Stärkung der Lebenskompetenz
Bei den politisch und fachlich verantwortlichen Organisationen und Institutionen im Bereich von Drogen und Abhängigkeit besteht gesundheitspolitischer Konsens über die Priorität der Prävention von Suchtmittelkonsum und Suchtmittelabhängigkeit. Bei der Primärprävention von Sucht wird daher das Konzept der Gesundheitsförderung allgemein und insbesondere der Ansatz der Lebenskompetenzförderung favorisiert.

Das methodische Vorgehen in der Prävention setzt dabei auf Konzepte zur Befähigung und Stärkung von Eigenverantwortlichkeit, sozialer Kompetenz und Konfliktfähigkeit. Dabei werden Alternativen durch neue und andere Erlebnisse wie z.B. sportliche Aktivitäten als Gegenentwürfe zum Drogenkonsum angeboten.

Prävention heißt, Lebensbedingungen zu schaffen, die dem schädlichen Gebrauch von psychotropen Substanzen begegnen und den Einstieg in die Abhängigkeit und Sucht verhindern.

Die Trennung zwischen legalen und illegalen Substanzen ist im Bereich der Primärprävention fachlich zurecht bereits seit geraumer Zeit weitgehend aufgegeben worden. Ein frühzeitiges Einwirken auf Risikoverhalten richtet sich heute generell auf den Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Daß die Bereiche nicht zu trennen sind, zeigt sich z.B. auch daran, dass bei rund der Hälfte der Personen, die primär wegen einer Drogenproblematik in Behandlung sind, auch schädlicher Konsum oder Abhängigkeit von Alkohol im Spiel ist. Wichtig ist daher, dass eine umfassende Prävention bei Kindern und Jugendlichen bereits vor dem ersten Konsum von Tabak, der die „Einstiegsdroge“ überhaupt zu sein scheint, sowie von Alkohol einsetzt.

Tabak ist die Droge Nr. 1 – gefolgt von Alkohol
Neben dem Konsum illegaler Drogen darf die wesentlich größere Verbreitung von Alkohol und Tabak nicht aus dem Blickfeld geraten. So sind etwa 4 Mio Erwachsene durch Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit gefährdet. Dies entspricht einem Anteil von ca. 8-9% der 18 – 59 jährigen in der Bevölkerung der Bundesrepublik.

Alles in allem hat der Alkoholkonsum in der Bundesrepublik ein hohes Niveau, wobei die Konsumzahlen je nach Berechnungsverfahren uneinheitlich sind. Es wurde daher im BMG eine Schätzwertgruppe eingerichtet, um zu einheitlichen und verbindlichen Zahlen hinsichtlich der durchschnittlichen individuellen Konsummenge und in Bezug auf die unterschiedlichen Konsummuster zu kommen.

Der regelmäßige wöchentliche Alkoholkonsum der 12- bis 25jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den westlichen Bundesländern geht langfristig (seit 1973) zurück. Diese Entwicklung zeigt sich sowohl bei Bier (von 42 auf 27 Prozent), Wein (von 21 auf 10 Prozent), Spirituosen (von 17 auf 5 Prozent) und bei alkoholischen Mixgetränken (hier seit 1986: von 10 auf 7 Prozent).

Auch in den östlichen Bundesländern gibt es alles in allem beim Alkoholkonsum einen Rückgang häufigen Trinkens von Bier, Wein, vor allem aber von Spirituosen bei den männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, während jedoch der Anteil der regelmäßig Alkohol konsumierenden Mädchen und jungen Frauen gleich bleibt oder – beim Biertrinken – steigt.

Die Zahl der Alkoholabhängigen, die in ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen betreut werden, ist von 1996 nach 1997 um fast 8 % gestiegen. In Anbetracht der Tatsache, dass drei von vier Klienten in Suchtbehandlung primär ein Alkoholproblem haben, weist dies auf einen enormen zahlenmäßigen Anstieg der Problemfälle hin. Probleme mit legalen Stoffen scheinen also eher zuzunehmen. Um die Datenlage in diesem Bereich zu verbessern, begann Anfang 1998 auf Initiative des BMG eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Instituts für Therapieforschung, München genauere Werte über den Verbrauch, die Zahl der KonsumentInnen und Zahlen über die volkswirtschaftlichen Folgen zu ermitteln.

Zur besonderen Problematik von Frauen und Alkohol finanziert und betreut das BMG federführend eine internationale epidemiologische Studie der EU, deren Ergebnisse am 24. März 99 in Berlin im Rahmen der deutschen Präsidentschaft vorgestellt werden. Eine weitere Studie des BMG , die am 1. März 98 begonnen hat, konzentriert sich auf die weiblichen Konsumentinnen von Alkohol und Medikamenten. In ihrem Zentrum stehen Fragen nach dem Zusammenhang des Substanzkonsums mit Bildungsstand, beruflicher Qualifikation, Familieneinkommen etc. also der sozialen Schichtzugehörigkeit. Mit Ergebnissen ist Ende April 99 zu rechnen.

Die Bundesregierung wird sich daher auch dafür einsetzen, daß die von der Gesundheitsministerkonferenz bereits Ende 1997 verabschiedeten Maßnahmen des „Aktionsplans Alkohol“ umgesetzt werden können. Hierzu gehören freiwillige Werbebeschränkung und Überlegungen, Warnhinweise am Produkt anzubringen. In Absprache mit den Ländern werden Gespräche mit der Alkoholwirtschaft vorbereitet.

Der Anteil der Raucher in der Bundesrepublik insgesamt beträgt bei den Männern 43%, bei den Frauen 30%. Hochgerechnet auf die 18-59jährige Bevölkerung sind dies 17,8 Mio Raucher, von denen 6,7 Mio im Mittel 20 oder mehr Zigaretten pro Tag konsumieren.

Ein Vergleich der Entwicklung der 18-24jährigen seit 1980 läßt in Westdeutschland einen erheblichen Rückgang der Rauchprävalenz erkennen. Bei den Älteren zeigen sich mit Ausnahme des deutlichen Rückgangs täglichen Rauchens bei den 25-39jährigen keine wesentlichen Unterschiede seit 1990 bzw. 1995. Dagegen hat sich der Anteil starker Raucher (tägliche Raucher mit einem Konsum von mehr als 20 Zigaretten pro Tag) in Westdeutschland seit 1980 deutlich reduziert. Auch in Ostdeutschland zeigt sich im Sieben-Jahres-Vergleich bei einer in etwa gleichbleibenden Raucherquote ein leichter Rückgang in den Anteilen der täglichen Raucher und Raucherinnen. Die Anteile der starken Raucher weisen im Zeitvergleich dagegen keine Veränderungen auf.

Die Ergebnisse der Befragung junger Menschen im Alter von 12-25 Jahren, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vorgenommen wurde, belegen auf der einen Seite eine langfristige Zunahme derer, die nie geraucht haben (1997: 42% gegenüber 31% im Jahr 1979). Es zeigte sich aber auch, daß aktuell gerade bei den jüngeren Jahrgängen der Raucheranteil wieder steigt. 1993 rauchten in Westdeutschland 21% in der Altersgruppe der 12-17jährigen, 1997 sind es 26%. In Ostdeutschland stieg die Raucherquote von 19 auf 34 Prozent. Besonders stark ist hier der Anstieg bei den weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen.

Im Deutschen Bundestag hat sich erneut eine fraktionsübergreifende Initiative für ein Gesetz zum Nichtraucherschutz gebildet. Das Bundesministerium für Gesundheit begleitet diese Aktivität mit Wohlwollen. Sollte sie nicht zum Erfolg führen, wird das Ministerium geeignete Möglichkeiten prüfen, den Nichtraucherschutz ständig zu verbessern.

Medikamentenmißbrauch
Der Mißbrauch von Medikamenten mit psychoaktiver Wirkung läßt sich nur schwer erfassen, dürfte aber weitaus verbreiteter sein als der Drogenmißbrauch. Er steigt besonders bei Kindern und Jugendlichen an. Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS), eine von der Bundesgesundheitsministerin geförderte Einrichtung, schätzt die Zahl der Arzneimittelabhängigen auf 1,5 Millionen. Der häufige Gebrauch von Schmerzmitteln aber auch Beruhigungs- und Schlafmitteln und die Angaben von 1,4 % derjenigen Menschen ohne schwere Erkrankungen, nicht ohne solche Beruhigungsmittel auskommen zu können, geben Anlaß zur Sorge. Frauen sind hierbei fast doppelt so häufig gefährdet wie Männer.

Die häufigsten psychotropen Arzneimittel sind allesamt rezeptpflichtig. Die Prävention gegen Mißbrauch und Abhängigkeit muß also bereits auf der Verschreibungsebene verbessert werden.

Die Lage in Europa ?
Für einen internationalen Vergleich der Situation in der Bundesrepublik mit anderen europäischen Ländern liefert die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) zusammengeführte Daten der Mitgliedländer der EU:

Hinsichtlich der überwiegenden Schätzung zum problematischen Drogenkonsum (harte Drogen, Abhängige) liegt von den Ländern, die Daten dazu geliefert haben, nur Finnland günstiger als Deutschland. Sehr hoch liegen Luxemburg, Italien und Frankreich, Deutschland gleichauf mit den Niederlanden und Österreich.

Hinsichtlich des Cannabiskonsums in der Erwachsenenpopulation (ab 18 Jahre) liegt Deutschland in der unteren Hälfte der Mitgliedstaaten. Niedriger liegen Finnland, Schweden, Dänemark, wesentlich höher liegen Spanien und UK, wobei es sich um sog. „Life time-Prävalenzen“ handelt, also um die Zahl derjenigen, die jemals in ihrem Leben Cannabis konsumiert haben.
Hinsichtlich des Cannabiskonsums im Lebenszeitraum unter 15-16jährigen (Schuluntersuchung ohne Beteiligung der Bundesrepublik) liegen UK, Irland und die Niederlande sehr hoch mit mehr als 30%; Italien, Belgien, Dänemark und Spanien liegen bei etwa 20%. Zieht man zum Vergleich die BZgA-Studie heran und nimmt dort die Altersgruppe der 14-17jährigen (die jedoch nicht ohne weiteres vergleichbar ist) so ergibt sich für die alten Bundesländer ein Wert von 12%.

Ein weiteres besonderes Merkmal ist die Zahl der Abhängigen, die sich in Substitutionsbehandlung (Behandlung mit Ersatzstoffen) befinden. Deutschland liegt mit geschätzten 60.000 Klienten an der Spitze innerhalb der EU, gefolgt von Spanien, Frankreich und Italien.

Der überwiegende Anteil aller Substitutionen geschieht mit Methadon; allein in Deutschland wird mit Codein substituiert, in Frankreich dagegen überwiegend mit Buprenorphin.

Die Weiterführung einer qualifizierten Substitutionsbehandlung mit Methadon und unter engen Voraussetzungen für bestimmte Patienten auch mit Codein wird daher von der Bundesregierung angestrebt. Die Gesundheitsministerin hat die einschränkenden Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen beanstandet und Überarbeitung gefordert.

Mit Ausnahme von Dänemark, Italien, Irland und Schweden sind in allen Mitgliedsstaaten die Zahlen der Drogendelikte gestiegen, besonders steil ist der Anstieg in Belgien, Griechenland, Finnland und Spanien.

Grundlagen und Zielsetzungen einer neuen Sucht- und Drogenpolitik

Suchtkrankenhilfe ist elementarer Bestandteil eines Grundrechts und eines solidarischen Anspruchs auf angemessene gesundheitserhaltende, -fördernde und -wiederherstellende Hilfe der Gesellschaft
Ziel der Suchtkranken- und Drogenhilfe soll es sein, den Suchtkranken und Drogenabhängigen wieder Grundkompetenzen zu vermitteln und ihnen Hilfestellung zum Führen eines selbständigen Lebens zu geben. Das können drogen- bzw. suchtpolitische Maßnahmen nicht allein bewerkstelligen. Sie müssen in sozialpolitische Maßnahmen eingebunden sein, damit politisch, gesellschaftlich und individuell Zielperspektiven entwickelt werden können. Zeitnahe und angemessene Angebote der Drogenhilfe sind erforderlich
Wenn Menschen suchtkrank geworden sind, muß ihnen angemessen und unbürokratisch geholfen werden. Es darf nicht aus ideologischer oder moralischer Überzeugung eine bestimmte Lebensführung zur Voraussetzung für Hilfe gemacht werden.
In jeder großstädtischen Region (mit rund 100.000 Einwohnern) sollte eine Angebotspalette für hilfebedürftige Bürger mit Suchtproblemen – also auch für Alkoholkranke – zur Verfügung stehen.
Dieses Angebot sollte folgende Bestandteile umfassen:
niedrigschwellige Kontakt- und Anlaufstellen und, wo es aufgrund der Szeneverelendung nötig ist, Drogenkonsumräume; hierzu ist eine gesetzliche Klarstellung in Vorbereitung
die Substitutionsmöglichkeiten sollten dort, wo sie nicht ausreichend zur Verfügung stehen, angeboten werden; die Methadonsubstitution hat sich in den letzten Jahren zu einem erheblichen Faktor der Hilfe entwickelt und zu einer engeren Kooperation von Ärzten und Drogenhilfe beigetragen
Neben einer Palette von zuzulassenden Verschreibungsmöglichkeiten für Methadon soll es auch Modellversuche zur heroingestützte Behandlung geben für diejenigen Opiatabhängigen, die nicht mit Methadonverschreibungsprojekten und den bisher verfügbaren Therapien erreichbar sind.
Verschiedene Modelle (Lang- und Kurzzeittherapie, spezifische Angebote für Frauen, für Familien mit Kindern, für ausländische Suchtkranke, methadongestützte Angebote) von stationärer Therapie sollen sowohl für alkoholkranke, wie für drogenabhängige Bürger zur Verfügung stehen, mit entsprechenden Nachsorgeprogrammen.
Ein zentraler Bedarf besteht für Arbeits- und Beschäftigungsprojekte zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung von Suchtkranken. Die vorhandenen Leistungsgesetzte sollten stärker für Suchtkranke in Anspruch genommen werden können, sei es über Sonderprogramme wie spezifische Einzelförderung. Berufliche Rehabilitation ist oft das entscheidene Kriterium für Therapieerfolge bei Suchtkranken.

Die Unterstützung von Selbsthilfepotentialen ist ein wesentliches Element, um gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorzubeugen, sie besser zu bewältigen bzw. sie zu beheben. Gerade im Bereich der AIDS- und Drogenhilfe hat sich in den letzten Jahren gezeigt, daß die Mobilisierung von Selbsthilfe und Selbstorganisation von Betoffenen eine wesentliche Grundlage war, um die Ausbreitung von HIV und AIDS zu reduzieren.
Auch im Bereich der Behandlung bzw. Nachsorge bei Behandlung von Alkoholkranken hat sich gezeigt, daß Selbsthilfegruppen (wie die Anonymen Alkoholiker, Guttempler, Kreuzbund, Blaues Kreuz etc.) ein wichtiger Bestandteil zur Erreichung und Stabilisierung einer zufriedenen Abstinenz sind.
die Versorgung von chronisch Kranken gerade in einer Situation von enger werdenden Spielräumen öffentlicher Haushalte und drohenden Defiziten in der Sozialversicherungskasse dürfen nicht dazu führen, daß Suchtkranke zunehmend ausgegrenzt werden aus Leistungsbezügen und daß sich immer deutlicher eine Zwei-Klassen-Suchtkrankenhilfe durchsetzt. Tatsächlich formuliert aber das SGB V (§ 27) einen umfassenden Rechtsanspruch auf Behandlung.
Die Qualität der Suchtkrankenhilfe muß erhalten und verbessert werden; Controlling, Praxis-Evaluation sind zu effektivieren Die Förderung pluraler Suchtforschung ist dringliche Zukunftsaufgabe Die Förderung internationaler Kooperation für eine humane Drogenpolitik ist im vereinten Europa dringlich. Dabei wird sich die Politik der Bundesregierung an der Politik der meisten deutschen und europäischen Großstädte orientieren, die schon längst einen pragmatischen und vernünftigen Umgang mit dem Drogenproblem beschreiten .

 

Image: © Alexskopje / Dollar Photo Club