Aufklärung zum Thema Drogen

Biografie von Timothy Leary

– Ein Bericht von Anke –

Warum ich ein Leary-Fan bin? Leary war nicht nur einer der Pioniere einer neuen Bewußtseinsdimension, die den evolutionären Erfordernissen des neuen Zeitalters der Informationstechnologie entspricht, sondern auch ein konsequenter Verfechter des wichtigsten, nicht verbrieften Menschenrechts überhaupt: Die Forderung nach Selbstbestimmung über das eigene Bewußtsein!

Lebensstationen

1. Learys Kindheit
1920-1930 Springfield (Massachusetts), Elternhaus und frühe Kindheit
1926-1930 Indian Orchard (Massachusetts), Kindheit (6-10 Jahre)
1935-1938 Springfield (Massachusetts), Jugend (15-18 Jahre)

2. Ausbildung beim Militär in Westpoint
1940 Die Zeit als Kadett
1940 Verstoß gegen den Ehrenkodex
1940 Freispruch vor dem Kriegsgericht, aber Schweigestrafe

3. Studienzeit und Wehrdienst
1941 Alabama, Aufnahme des Studiums der Psychologie
1943 Virginia, Einberufung in den Wehrdienst / Versetzung nach Pennsylvania
1944 Pennsylvania, Heirat mit Marianne
1945 Washington, Wiederaufnahme des Studiums
1946 Berkley, Promotion und familiäre Entwicklungen

4. Die Sinnsuche und der Dritte Weg
1955 Berkley, Selbstmord von Marianne
1958 Florenz, Transaktionsanalyse und Lehrstuhlangebot für Harvard
1960 Harvard, Die Humanistische Psychologie u. Bekanntschaft mit Richard Alpert

5. Erste Begegnung mit dem neuen Bewußtseinsraum
1960 Mexiko, Sommerferien und der erste Pilzkontakt
1960 Harvard, Das Drogen-Forschungsprojekt
1960 Harvard, WG und Theorie des Set und Setting

6. Die Politik der Ekstase
1960 Harvard , Die neurologische Revolution
1960 New York City,Transformationsfaktoren
1961 Newton Center (Massachusetts), Wissenschaftliche Akzeptanz der Forschungsarbeit

7. Zwei bemerkenswerte Experimente mit Psilocybin
1961 Harvard, A. Gruppenexperiment mit Sträflingen
1962 Harvard, B. Gruppenexperiment zur spirituellen Ekstase

8. Pilze und die sexuelle Revolution
1962 Massachusetts, Sex unter Pilzen
1962 Harvard, Learys erster LSD-Trip und „Meister“ Hollingshead
1962 Harvard, Erste negative Schlagzeilen

9. Die politische Verschwörung
1962 Harvard, Begegnung mit Mary Pinchot
1962 Hollywood, Frühere Forschungen mit LSD

10. Das erste Sommerlager und Umsetzung der neuen Erfahrungen
1962 Zihuatanjeo (Mexiko)
1962 Harvard, Das Psychlotron und das Modell der 8 Schaltkreise

11. Unruhe in Harvard und IFIF-Projekt
1962 Harvard

12. Das zweite Sommerlager
1963 Mexiko, Vorbereitung des Lagers und weiterer Trouble in Harvard
1963 Mexiko, Run auf das Hotel „Nirvana“ und Begegnung mit Arana
1963 Ausweisungen ohne Ende …

13. Millbrook
1963 Millbrook (New York), Die philosophische Oase
1963 Neue Ereignisse zur Verschwörungstheorie und das Kennedy-Attentat
1964 Millbrook, Eine neue Beziehung
1964-1965 Japan – Indien – Tibet, Reisen zu neuen mystischen Horizonten
1965 Millbrook, Rückkehr und Überwürfnis mit Alpert
1965 Millbrook, Science Fiction, neurologische Kunst und eine neue Liebe

14. Beginn der politischen Verfolgung
1965 Laredo (mexikan. Grenze), Die erste Verhaftung
1966 Millbrook, Verurteilung im Laredo-Prozess und weitere Razzien
1966 Millbrook, Eine neue Marketingstrategie: Das Leary-Lächeln

15. Das dritte Sommerlager und die Entdeckung multimedialer Kunst
1966 Psychedelische Kunst auf US-Tournee
1967 Kalifornien, In der Lehre eines Medien-Gurus
1967 Kalifornien, Schamanistische Hochzeit mit Rosemary

16. Politische Wende und die Folgen
1968 Kalifornien, Verhaftung wegen 2 untergeschobenen Joint-Kippen
1969 Kalifornien, Freispruch im Laredo-Prozess und politisches Engagement
1969 Kalifornien, Verurteilung im Laredo-Prozess
1970 Orange County, Verurteilung wg. 2 Jointkippen (Leary ist 49 Jahre alt)

17. Inhaftierung (Teil I) und Flucht
1970 San Luis Obispo, Fluchthilfe durch die Weatherman
1970 Paris, Zwischenstation bei einem Freund
1970 Algerien, Eldridge Cleaver und den Black Panthers
1971 Genf, Unterschlupf beim Waffenhändler Hauchard
1972-73 Schweiz, Eine Erfahrung mit Heroin
1973 Eine neue Beziehung und Fortsetzung der Flucht via Österreich nach Afghanistan

18. Inhaftierung (Teil II)
1973 Orange County, Anklage wegen angeblichem Drogenhandel
1973 Folsom, Inhaftierung und Bekanntschaft mit Charles Manson
1973 Folsom, Ein Rechtsbegehren und seine Folgen
1974 Verlegung nach Vacaville und neue Fluchtpläne
1974 Kalifornien, Aufenthalt im Luxusknast in Miami
1975-1976 San Diego, Tätigkeiten während der Inhaftierung und Neues im Fall Pinchot

19. Erneuter Politischer Wechsel
1976 Schutzhaft
1977 Glendale, Rehabilitierung
1978 Hollywood, Hochzeit mit Barbara und weitere Tätigkeiten
1995 Krebserkrankung und Tod

Weiterführende Links zum Thema LSD Forschung, Erfahrungsberichten im Net …
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1. Learys Kindheit

17.01.1920 Militärbasis Westpoint

Timothy Leary (sen.), Hauptmann und angehender Alkoholiker, gräbt auf ziemlich plumpe Weise die ausgesprochen gutaussehende, sehr religiös und konservativ erzogene Abigail, Freundin des Oberbefehlshabers der Militärakademie, an: Die beiden verbringen die Nacht miteinander.

Abigail wird schwanger, die beiden heiraten. Timothy Leary jun. bleibt das einzige Kind der Ehe. Er wird am 22.10.1920 geboren.

1920-1930 Springfield (Massachusetts), Elternhaus und frühe Kindheit

Leary wächst unter zwei vollkommen unterschiedlichen familiären Strukturen auf:

Die akademisch ausgerichtete Leary Familie irischer Abstammung, ist städtisch, gebildet, vermögend und schillernd. Leary wächst unter deren Einfluß extrem freidenkerisch auf. Er ist überdurchschnittlich intelligent, introvertiert und verschlingt im Gegensatz zu seiner extrovertierten Familie, Unmengen an Büchern. Sowohl Learys Vater als auch Großvater waren erfolgreiche Ärzte. Sein Großvater veröffentlichte u.a. mehrere klassische Werke über den Blutkreislauf.

Eines seiner ihn am meisten prägenden Kindheitserinnerungen ist der Zuspruch seines Großvaters,
„Tu nie etwas so wie die anderen es tun. Geh deinen eigenen Weg. Sei der einzige deiner Art.“
Die Familie mütterlicherseits, der Ferris-Clan wie er ihn nennt, ist ebenfalls irischer Abstammung, aber vollkommen konservativ, familienorientiert und erzreligiös. Sie ist für ihn die Ausgeburt der Spießigkeit und in ihrem ganzen Denken ländlich-konservativ. In den Ferien, die er dort häufig verbringt, steht er unter dem Einfluß seiner unverheirateten dominanten Tanten (Lehrerinnen), die alles fröhliche, sexuelle oder freidenkerische rundherum ablehnen. Learys steht aufgrund seiner Natur und vor allem wegen seiner späteren Taten in tiefer Ungnade des Ferris-Clans.

1926-1930 Indian Orchard (Massachusetts), Kindheit (6-10 Jahre)

Leary wuchs als Kind eher einsam auf. Es zog ihn nicht zu seinen katholisch angepaßten Gleichaltrigen. Schon früh plünderte er Bibliotheken nach immer neuen Geschichten von Helden und Vorbildern, mit denen er sich spielerisch identifizierte. In dieser Zeit las er nicht nur die Legenden von König Arthur, Robin Hood, Sherlock Holmes, sondern auch bereits klassischere Literatur über Odysseus, Sokrates und Horatius. Meist zum Leidwesen seiner Mutter, denn aus den Holzpfosten der Wäscheleine wurden beispielsweise Totempfähle, In seiner Sherlock-Holmes-Phase, verhalfen ihm seine selbstgebastelten Einbrecherwerkzeuge zu mehr Freiheit bei weiteren, unerlaubten nächtlichen Ausflügen.

Obwohl er in seiner Kindheit an sich nicht besonders sportlich war, packte ihn als Jugendlicher der Ehrgeiz auch im sportlichen Bereich. Seine Geschicklichkeit, der kühle Kopf und sein Ehrgeiz, machten ihn in verschiedensten Disziplinen sehr erfolgreich, hinterließen aber bei vielen seiner Altersgenossen den Eindruck von Kälte und Gleichgültigkeit.

Learys inzwischen alkoholkranker Vater, von Beruf Zahnarzt, verläßt Frau und Familie als Leary dreizehn Jahre alt ist. Er wandert durch die Welt und geht unterschiedlichsten Tätigkeiten nach, kehrt aber nie zurück. Obwohl sein Vater im Rauschzustand regelmäßig gewalttätig wurde, bewundert Leary das Fortgehen seines Vater insgeheim, da er aus der familiären Enge und Doktrin der Mutter ausgebrochen ist. Im Gegensatz zu seiner Mutter und deren Familie, belastete ihn sein Vater nie mit konventionellen Erwartungshaltungen. Dem tiefen Verlust darüber, begegnete er erst später in einer seiner Drogensitzungen.

1935-1938 Springfield (Massachusetts), Jugend (15-18 Jahre)

Als Leary 15 ist, kommt er vom ländlichen Indian Orchard auf das klassische Lyceum in Springfield, einer Ganztagsschule. Diese verwirrt ihn sehr, denn die Jungs sind cool und reif, die Mädchen verlockend, ihm aber überlegen. Auch hier nimmt er eine Außenseiterrolle ein und engagiert sich im Debattierclub, bei der Schülerzeitung und im Theaterclub. Schließlich findet er Anschluß bei einer Gruppe jüdischer Studenten. Der intensive Kontakt zu Angehörigen einer anderen Religion, ist in dieser Zeit relativ ungewöhnlich. Er empfindet aber die freche, aufgeschlossene, weltoffene und intellektuelle Atmosphäre als eine große Bereicherung und lebt erstmals in einer Gruppe Gleichaltriger auf. Von dieser Gruppe lernte er über das Konventionelle hinaus zu schauen.

Mit 16 lernt er dann auch seine erste Freundin Rosalind kennen, die ihn mit ihrer Weltgewandtheit, ihrer sexuell sehr freien Einstellung und ihrer Intelligenz sehr beeindruckte. Beide sind in der Redaktion der Schülerzeitung sehr engagiert und erhalten bei einem Wettbewerb den ersten Preis für die beste Schülerzeitung Westmassachusetts. Allerdings handelt sich Leary aufgrund seines sehr liberalen Denkens und gewisser politischer Beiträge, die vom Rektor des Lyceums nicht positiv gewertet werden, Ärger ein. Da er auch gerne die Schule schwänzte, erhält er letzten Endes kein Empfehlungsschreiben für die Universität.

Seine Mutter meldet ihn im Sommer für die Aufnahmeprüfungen zur Militärakademie an. Er schließt die Prüfung als Bester ab und wird gegen seinen Willen (er hätte die Marine bevorzugt) nach Westpoint geschickt.

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2. Ausbildung beim Militär in Westpoint

1940, Die Zeit als Kadett

Westpoint beeindruckt ihn anfangs sehr. Der harte militärische Drill gibt ihm das Gefühl bald einer Elite zugehörig zu sein. Dies ändert sich nach den ersten sehr harten Wochen schnell. Er bemerkt, daß kein eigenständiges Denken und Handeln gefordert werden, sondern daß er sich in einer großen Gleichschaltungsmaschinerie befindet, die dazu nach als intellektuell und politisch weltfremd empfindet. Der strengen Isolation in der er sich befindet – er vergleicht es mit den Lebensbedingungen in einem Hochsicherheitstrakt – entgeht er spät abends immer öfter, indem er durch sein Zimmerfenster zu illegalen Ausflügen in die benachbarten Städtchen ausbüchst. Seine Tagesfreizeit verbringt er wie früher hauptsächlich mit dem Lesen philosophischer Literatur und sonstiger intellektueller Kost, die er in der dürftigen Bibliothek der Militärakademie findet.

1940, Verstoß gegen den Ehrenkodex

Bereits nach vier Monaten kommt es dann zu einem Zwischenfall, der für Learys extremen Eigensinn nicht nur typisch ist, sondern in seinen Konsequenzen wohl auch weiter verstärkt:

Bei einem offiziellen Ausgang trank Leary mit ihm vorstehenden Kadettenoffizieren heimlich Alkohol. Alkoholkonsum war streng verboten, wurde aber nur mit den üblichen Disziplinarstrafen geahndet. Dumm an der Geschichte war zu einem die Tatsache, daß Leary den Alkohol besorgt hatte und sich die Kadettenoffiziere mehr oder weniger selbst zum Drink eingeladen hatten. Schlimmer war aber, daß das Leary verhörende Ehrenkomitee durch eine ungeschickte Befragung (Kadetten hatten grundsätzlich nur exakt auf die ihnen gestellten Fragen mit ja oder nein zu antworten) sich ein falsches Bild von der Situation machten und Leary nicht als Initiator der Geschichte ansahen. Bei weiteren Verhören der anderen Beteiligten ergaben sich so zwangsläufig Widersprüche, so daß Leary als Lügner erschien. Dies stellte ein noch sehr viel schlimmeres Vergehen dar und wurde mit einem Ausschluß aus der Akademie bestraft. Bei der zweiten Befragung konnte er den Sachverhalt richtig stellen, brachte aber den untersuchenden Kommandant in die peinliche Situation, sich selbst als unfähig erscheinen zu lassen, eine Befragung richtig durchzuführen. Die Konsequenz daraus war die Untersuchung des Sachverhalts vor dem Kriegsgericht. Leary wurde während der Zeit bis zur Verhandlung vom Ehrenkomitee zum Schweigen verurteilt. Dies bedeutete nicht nur ein Redeverbot für ihn, sondern eine totale Ausgrenzung aus dem Sozialgefüge. Er mußte alleine Sitzen, niemand durfte zu ihm Sprechen, er wurde wie Luft behandelt. Seine Kameraden standen zwar hinter ihm, mußten aber der Anweisung von oben gehorchen. Obwohl er äußerlich stolz und unbeugsam auftrat, belastete ihn die Geschichte sehr. Er hätte zwar jederzeit die Akademie selbst verlassen können, wollte aber seiner Mutter einen erneuten Rauswurf nicht zumuten und die Geschichte zu Ende bringen.

1940, Freispruch vor dem Kriegsgericht, aber Schweigestrafe

Vor dem Kriegsgericht konnte Leary dann nachweisen, daß er nicht vorsätzlich gelogen hatte, womit der Anklagepunkt fiel. Innerhalb von zwei Minuten war er freigesprochen, womit es auch keinen rechtlichen Grund mehr gab, ihn unehrenhaft aus der Armee zu entlassen. Für das Ehrenkomitee der Kadettenoffiziere war die Geschichte aber noch nicht gegessen. Leary unterstand weiter der Schweigestrafe und wurde, wo es nur ging, fadenscheiniger Vergehen beschuldigt:

Er erhielt Strafpunkte wegen ungeschnittener Nasenhaare. Ein Schnitt beim Rasieren wurde als „fahrlässige Beschädigung von Regierungseigentum“ geahndet. Sein Platz bei der Aufstellung wurde geändert ohne ihn zu informieren, was dann wiederum als „inkorrektes Antreten“ bestraft wurde.

Ziel des Malträtierens war es, ihn zum Aufgeben und zum „freiwilligen“ Verlassen der Akademie zu zwingen. Rückhalt erhielt Leary nur noch von guten Freunden, einem Vorgesetzten der gegen die Schweigestrafe war und anderen Außenseitern, wie zwei andere farbige Kadetten, die automatisch bei Eintritt in die Akademie der Schweigestrafe unterstanden. Leary wurde so zum „weißen Neger“ des Korps. Er selbst empfand sich trotz seines tiefen Unglücks im Recht und sah das ganze als eine Feuerprobe gegen das unterdrückerische System an.

Die Einsamkeit machte ihm nur bedingt etwas aus, da er sich noch intensiver seinen Büchern widmete. In diesem Jahr schrieb er dann auch sein erstes Buch: wie er es selbst nannte, ein pedantisches pubertäres Essay nach Schopenhauer, indem er zu beweisen versuchte, daß alles auf der Welt, Tiere, Pflanzen, Mineralien als Ausdruck intelligenter Energie existieren.

Leary unterstand bereits neun Monate der Schweigestrafe, als er nachts von zwei hochstehenden Kadettenoffizieren aufgesucht wurde, die nicht Mitglieder des Ehrenkomitees waren. Sie waren um eine Lösung der Situation bemüht, die für die Akademie immer untragbarer wurde. Viele Oberstufler waren der Ansicht, daß das Ehrenkomitee einen gravierenden Fehler gemacht hatte, zumal die Akademie neue Erstkläßler hatte, die die seltsame Situation hinterfragten und denen man keine befriedigende Erklärung für die drastische Strafe, der Leary inoffiziell unterlag, geben konnte. Man befürchtete eine Gruppendynamik, die das System unterlaufen könnte.

Leary kam mit den beiden Abgesandten zu folgender Lösung, die beide Seiten erleichtert aufnahmen: Leary würde freiwillig Westpoint verlassen, wenn das Ehrenkomitee ihn mit schriftlicher Bestätigung für unschuldig erklärt, und diese Erklärung in einer öffentlichen Verkündigung vorgelesen werden würde.

Das Ehrenkomitee willigte ein, und bereits am Tag darauf wurde die Kapitulation während des Mittagessens verlesen. Der Oberbefehlshaber, der Leary die ganze Zeit über unterstützte, versprach Leary darüber hinaus, daß kein Kadett je wieder zum Schweigen verurteilt werden sollte. Leary verließ noch am selben Tag Westpoint mit gemischten Gefühlen. Einerseits hatte er einen Sieg errungen, andererseits mußte er die Erwartungen seiner Familie wieder enttäuschen.

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3. Studienzeit und Wehrdienst

1941 Alabama, Aufnahme des Studiums der Psychologie

Eines hatte Leary mit seinem Rauswurf aus Westpoint aber erreicht: Er konnte seinen eigentlichen Interessen endlich nachkommen und schrieb sich einige Tage nach seiner Heimkunft in der Universität Alabama ein. Zuerst hatte er vor sich für die philosophische Fakultät einzuschreiben, ließ sich dann aber von Prof. Dr. Dee, den Vorsitzenden der Abteilung Psychologie, nach einem kurzen Gespräch abwerben. Leary erwartete vom Studium der Psychologie eine größere intellektuelle Herausforderung, da er dies mit den Nebenfächern Biologie und Physik kombinierten konnten, die ihn sehr fesselten.

Leider fesselte ihn nicht nur das theoretische Studium der Biologie, sondern ganz besonders auch die weiblichen Studenten. Ein Jahr später (Herbst 1942) flog Leary aus der Universität: er war beobachtet worden, wie er die Nacht bei einer Studentin im Wohnheim verbracht hatte. Er hatte zwar wie immer vorzügliche Leistungen erbracht, konnte sich aber nicht an die sozialen Anforderungen seiner Zeit anpassen. Der Rauswurf bedeutete nicht nur wieder eine furchtbare Schmach für seine erzchristliche Familie mütterlicherseits, sondern auch das Antreten seines Wehrdienstes…

1943 Virginia, Einberufung in den Wehrdienst / Versetzung nach Pennsylvania

Leary wird im Januar nach Fort Eustis zur Flugzeugabwehr einberufen. Das einzig faszinierende an der Ausbildung war die Arbeit an den dem Vorläufern des Analog-Computern, mittels derer die Radarabwehr gesteuert wurde. Im Frühjahr 1944 wurde er dann als psychologischer Berater an die Truppenschiffszentrale für den Südpazifik befohlen.

Sein Schirmherr Dr. Dee von der Universität Alabama, war zwischenzeitig auch in den Militärdienst als Chefpsychologe an einem Armeekrankenhaus in Pennsylvania einberufen worden. Da die beiden noch in Kontakt standen und ein sehr gutes Verhältnis hatten, setzte Dee sich für eine sofortige Versetzung Learys nach Pennsylvania ein. Dies gelang tatsächlich, so daß Leary kurze Zeit später seine Ausbildung als klinischer Psychologe in der Klinik für Akustik im Armeekrankenhaus beginnen konnte anstatt mit einem Himmelfahrtskommando zur Truppenschiffszentrale geschickt zu werden.

1944 Pennsylvania, Heirat mit Marianne

In der Klinik lernte er seine spätere Ehefrau Marianne, eine Audio-Technikerin, kennen. Er verliebte sich schlagartig in sie und kurze Zeit später zogen die beiden zusammen. Die genetischen Programme ließen nicht lange auf sich warten. Am 12. April 1944 legalisierte Leary erstmals eine seiner sexuellen Beziehungen und heiratete Marianne: er war 23, sie 22 Jahre alt. Marianne kam aus einer kleinbürgerlichen Familie aus Portland, in welcher eine sehr bedrückte Stimmung vorherrschte. Sein mittelständischer Schwiegervater, der ein Möbelgeschäft führte und einige Häuser besaß, bot ihm die Übernahme seiner Geschäfte an, da er keinen Sohn hatte. Leary schlug das Angebot aber aus.

1945 Washington, Wiederaufnahme des Studiums

1945 ging der Krieg zu Ende und Leary wurde nach fünf Jahren Dienst vorzeitig aus seiner Wehrpflicht entlassen. Er ging mit Marianne nach Washington, wo er an der dortigen Universität im Sommer 1946 sein Diplom in Psychologie machte. Thema seiner Diplomarbeit war eine statistische Studie der Ausmaße der Intelligenz. Im Herbst des gleichen Jahres trat er dann seine Doktorandenstelle an der Universität Berkley in Kalifornien an.

1946 Berkley, Promotion und familiäre Entwicklungen

Obwohl die Universität Berkley im Bereich Psychologie als die beste der Welt galt und Kalifornien seinen Ruf als freien und lebenslustigen Bundesstaat nur bestätigte, empfand Leary seine Arbeit an der Universität als sehr bürokratisch. Die Studenten waren zwar niveauvoll, aber nicht von Idealismus geprägt. Es wirkte mehr, als wenn sie des guten Rufs hier wären und später nur eine gute Professorenstelle ergattern wollten. Seinem irischen Temperament entsprach nur sein Studienkollege Frank Barron, zu dem sich eine langandauernde Freundschaft entwickelte.

1947 kommt Learys Tochter Susan zur Welt. Marianne war bereits während der Schwangerschaft sehr depressiv und mußte sich in medikamentöse psychologische Behandlung begeben. Dies besserte sich auch mit der Geburt nicht mehr auf. Sie wurde immer introvertierter und das innige Verhältnis zu Leary wurde immer oberflächlicher. Sie rutschte immer mehr in das Verhalten ihrer unselbständigen, biederen Mutter, während Leary sich in seine Arbeit und, gleich seinem Vater, sich in übermäßigem Alkoholkonsum flüchtete. Zwei Jahre später wurde das zweite Kind Jack geboren. Leary und seine Frau waren zunehmend in ihren genetischen Rollenprogrammen gefangen.

Im Jahr 1953 begann Leary dann ein Verhältnis mit einer anderen verheirateten Frau, welches über zwei Jahre anhielt. Marianne tolerierte dies, Leary dachte aber nicht an Scheidung, da er seine Familie liebte. Die neue Beziehung gab ihm, was er bei Marianne verloren hatte: Lebenslust und geistigen Austausch.

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4. Die Sinnsuche und der Dritte Weg

1955 Berkley, Selbstmord von Marianne

Am 22.10.55, Learys 35. Geburtstag, begeht Marianne Selbstmord. Sie vergiftet sich frühmorgens in der Garage mit Kohlenmonoxid. Der Selbstmord kommt für Leary völlig überraschend, obwohl sich beide sehr auseinander entwickelt hatten. Zurück bleiben Susan (8) und Jack (6).

Leary beschreibt sich retrospektiv selbst als bis zu diesem Zeitpunkt emotional unreif, in einem oberflächlichen hedonistischem Leben verfangen. Sein latenter Alkoholismus verstärkte sich bis zu dem Zeitpunkt von Mariannes Tod.

1957 schreibt Leary das Buch „Interpersonal Diagnosis of Personality“, welches den Preis „Buch des Jahres 1957“ auf therapeutischem Gebiet erhält. Er ist Forschungsdirektor für Psychologie am Kaiser Foundation Hospital in Oakland.

1958 Florenz, Transaktionsanalyse und Lehrstuhlangebot für Harvard

Leary kündigt seinen Posten in Oakland, den er nun 16 Jahre inne hatte, und geht nach Italien. Er ist über die Forschungsergebnisse zur Wirksamkeit psychologischer Behandlungen resigniert, da die Behandlungsmethoden keinerlei signifikanten Wirkung nachweisen: 1/3 der Patienten geht es besser, einem anderen 1/3 schlechter, beim restlichen 1/3 zeigt sich keine Veränderung des Gemütszustandes.

Leary ist ein einer Glaubenskrise bezüglich der Macht menschlichen Wissens über seinen Geist und lebt von einem kleinen Stipendium und Versicherungsprämien. Seine Kinder leben bei ihm.

Er schreibt an dem Manuskript „The Existential Transaction“ eine neue Methode zur humanistischen Verhaltensmodifikation. Leary geht es darum, die theoretische Psychologie (Behaviorismus) in eine praktische, wirklich funktionierende Psychologie zu verändern. Unter anderem ist die Transaktionsanalyse ein Kind dieses Gedankens. Er ist ein Vertreter des Standpunkts, daß der Therapeut ein aktiver Part in der Rolle des Psychoanalyse hat, und vom Gedanken des reinen objektiven Beobachters ablassen muß. Er ist vielmehr Teil des Geschehens (siehe Jung´sche Psychologie). Dieser theoretische Ansatz motiviert ihn neu.

Sein Freund Dr. phil. Frank Barron trifft ihn und erzählt ihm begeistert von seinem kürzlichen, ersten Pilztrip in Mexiko. Dies war für ihn ein zutiefst mystisches Erlebnis.

(Frank Barron ist eine führende Autorität auf dem Gebiet der Kreativitätspsychologie. Er ist überzeugt davon, daß der Mensch nur durch eine effektive Neuprogrammierung des menschlichen Gehirns eine atomare Katastrophe vermeiden kann. Barron war Mitbegründer des späteren Harvard Psychedelic Drug Research-Programs (1960-1961). Er schlug zweimal das Angebot aus, Direktor des psychologisch geschulten Personals der CIA zu werden.)

Barron finanziert Leary aus einem andere Forschungsstipendium einen Aufenthalt in London um dort Arthur Koestler zu einem Gespräch zum Thema Kreativität zu treffen.

(Arthur Koestler: Europäischer Philosoph, geb. 1905 in Budapest, ursprünglich kommunistischer Gesinnung. Koestler wurde während des spanischen Bürgerkriegs zum Tode verurteilt und verbrachte lange Zeit in der Todeszelle, wo er eine lebensverändernde Vision erfuhr. Er beschäftigte sich besonders in seinen späteren Werken mit der Evolutionstheorie und erarbeitete u.a. eine gute Kritik an der Darwinschen Theorie der blinden, natürlichen Selektion. Weiterhin mit Themen wie der Erkenntnistheorie, der menschlichen Kreativität aber auch mit Telepathie.)

Leary trifft weiterhin David McClelland, den Leiter des Harvard Zentrums für Persönlichkeitsforschung. Leary berichtet ihm von seinen Gedanken zur Existential Transaction Theorie. Bewußt um den revolutionären Ansatz und mit eben diesem Ziel, bietet dieser ihm einen Lehrstuhl in Harvard an, den Leary annimmt. Leary betritt damit aktiv den Kreis von Befürwortern einer neuen Psychologie (der „Dritte Weg“; Carl Rogers, Abraham Maslow, Harry Stack Sullivan, Milton Gloaming, Benjamin Spock).

1960 Harvard, Die Humanistische Psychologie und Bekanntschaft mit Richard Alpert

An der Harvard University trifft er den sehr engagierten Assistenz Professor Richard Alpert, zu dem er eine tiefe lang andauernde Freundschaft aufbaut. Er beschreibt diese Freundschaft gleich der zwischen Tom Sawyer und Huckleberry Finn; Leary war in seiner Jugend ein großer Fan von Mark Twain und identifizierte sich innerlich mit der Romanfigur Tom Sawyer.

(Richard Alpert, Co-Autor vieler späterer Werke von Leary zum Thema Bewußtseinserweiterung durch Drogen, wird 1967 auf einer Pilgerfahrt nach Indien zu einem Anhänger des Hindu-Guru Neem Karoli Baba. Alpert selbst nimmt später den Namen Ram Dass an, unter dem er auch einige New Age Bücher (Das Buch Emanuel) schrieb. Richard Alpert ist aus sehr wohlhabendem Hause und finanziert u.a. so später aus seinem Privatvermögen und Sponsoren einen beträchtlichen Unterhalt des Lebens von Leary und seinem Umfeld.)

Richard Alpert ist homosexuell und übernimmt im Laufe der Zeit in der nicht sexuellen Beziehung zu Leary gegenüber dessen Kindern eine sehr warme und emotional tiefgehende Mutterrolle ein. Er hat enorme gesellschaftliche Kontakte, die sich beim späteren Werk der beiden als sehr nützlich zeigen.

Leary geht an seine neue Aufgabe in Harvard mit Begeisterung heran und versucht seinen Studenten im praktischen Einsatz beizubringen, Probleme des Milieus in der Umgebung des Milieus selbst zu lösen. Er nimmt u.a. sehr wichtige Arbeitskontakte zum Begründer der „Anonymen Alkoholiker“ Bill Dederich auf. Die Frage die er stellt und zu beantworten zu versucht ist, wie verändert man menschliches Verhalten. Die herkömmlichen Methoden der Psychologie bestehen in einer sehr langwierigen Rekonditionierung.

Zusammen mit anderen Kollegen seines Forschungskreises in Harvard interessiert er sich für neue Methoden der Verhaltensmodifikation, u.a. die der physiologischen und chemischen Stimuli. Dies ist ein Ansatz, den bereits Freud angedacht hatte, bislang aber keine praktische Umsetzung gefunden hatte.

Im ersten Sommer des Kennenlernens von Alpert verbringen die beiden mit den Kindern einen Urlaub in Mexiko und der Karibik, in welchem Leary seine erste psychedelische Erfahrung macht. Dies ist der eigentliche Beginn seines Weges.

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5. Erste Begegnung mit dem neuen Bewußtseinsraum

1960 Mexiko, Sommerferien und der erste Pilzkontakt

Zusammen mit einigen Bekannten (u.a. Richard Alpert und Frank Barron) mietet er für die Ferien eine Villa in der Nähe von Acapulco. Sein Sohn Jack (11) ist ebenfalls dabei, seine Tochter Susan bleibt bei Freunden in Berkley.

In Gesprächen mit Gerhard Baum (Anthropologe, Linguist und Historiker) über Teonacatl, den magischen Pilzen der Azteken, beschließen die beiden die Pilze zu probieren. Einige Tage später hat Baum Pilze über eine Curandera aus San Pedro organisiert. Zusammen mit fünf weiteren Teilnehmern startet die Gruppe ihr erstes Pilzexperiment. Richard Alpert ist ebenfalls dabei. Zwei Personen enthalten sich aus persönlichen Gründen und fungieren als dokumentierende Beobachter und Nothelfer.

Für Leary ist es eine überwältigende Erfahrung, die sein ganzes späteres Sein verändert. Neben den typischen Pilzwirkungen erlebt er die Reflektion des eigenen Seins, durchfliegt die evolutionären Stadien der Bewußtseinsentwicklung und nimmt Teil am Wissen der großen Mystiker. Er erkennt, die Winzigkeit des menschlichen Bewußtseins gegenüber dem unendlichen Potential des Seins und sieht vollkommen neue Möglichkeiten der Neuprogrammierung des menschlichen Denkens und Verhaltens.

1960 Harvard, Das Drogen-Forschungsprojekt

Einige Tage später sucht er seinen „Chef“, den ansonsten sehr aufgeschlossenen Professor McClelland auf, um ihm von seinen überwältigenden Erfahrungen und den potentiellen Möglichkeiten der Droge zu berichten, und versucht ihn zu überzeugen Pilze selbst zu nehmen. Dieser verneint und steht auch den Plänen Learys, systematische Experimente mit den Pilzen in Harvard aufzunehmen, skeptisch gegenüber. Er befürchtet die politischen Folgen, die dies mit sich bringen könnte.

(Zu diesem Zeitpunkt waren die Wirkstoffe von Pilzen und LSD in den USA noch nicht verboten, allerdings der Besitz und Gebrauch von THC. Experimente mit anderen bewußtseinsverändernden Drogen wie z.B. die Meskalin Experimente v. George Litwin, hatten in Harvard bereits eine längere offizielle Geschichte.)

Bereits zu diesem Zeitpunkt warnt ihn sein Freund Frank Barron davor, jeden Menschen das Wissen um die Möglichkeiten einer grundlegenden Bewußtseinsveränderung aufdrängen zu wollen. Nichtsdestotrotz, vereinbaren die beiden, das Harvard-Projekt in Angriff zu nehmen. Die zwanghafte Tendenz Learys, jedem alles offen zu erzählen, ohne auf psychologische oder politische Barrieren zu achten, ist sein eigentlicher späterer Stolperstein.

Learys Begeisterung geht sogar soweit, daß er seiner „armen gebeutelten“ Mutter und seiner Tante, eine erzchristliche alte Jungfer, euphorisch von seinen Pilztrips erzählt. Diese wünschen sich allerdings nicht mehr von ihm, als daß er ein konservativer, angepaßter Professor wird, der zwar Ansehen, nicht aber Aufsehen bringt.

1960 Harvard, WG und Theorie des Set und Setting

Im Herbst zieht Leary zusammen mit seinen Kindern und Frank Barron, später auch noch weiteren Personen, in ein großes Wohnhaus nahe Boston. Es entsteht eine der ersten Wohngemeinschaften, die für die kommenden Jahre kulturtypisch werden.

Seine Pläne zu den Versuchsreihen mit psychedelischen Drogen stoßen nicht nur bei George Litwin (derzeit Doktorand), sondern auch bei einigen graduierten Studenten auf große Zustimmung. Es wird beschlossen, die Forschung nach existentiell-transaktionellem Muster aufzunehmen, was bedeutet vom rein medizinischen Beobachterpunkt wegzugehen und im Selbstversuch die psycho- und soziologischen Wirkungen zu beobachten und anschließend zu analysieren. Der Wirkstoff (LSD) für die Experimentreihe wurde dabei von einer amerikanischen Niederlassung der Sandoz-Laboratorien zur Verfügung gestellt.

Leary setzt sich zu diesem Zeitpunkt sehr mit den Werken von Aldous Huxley auseinander, der ein früher Nutzer bewußtseinserweiternder Drogen war. Er trifft diesen zu persönlichen Gesprächen nach kurzer brieflicher Korrespondenz, als Huxley den Sommer als Gastdozent am MIT verbringt. Dieser beteiligt sich gedanklich und praktisch an den Versuchsreihen.

Die Forschergruppe um Leary befindet sich in einer euphorischen Aufbruchstimmung: Das Betreten eines unerschlossenen psychischen Neulands mit seinen nicht endenden Möglichkeiten und Freiheiten, findet gemäß der existentiell-transaktionellen Theorie in bekannter Umgebung mit Feierabendatmosphäre statt. Entspannung und anregende Gespräche innerhalb eines ausgesuchten intellektuellen Kreises Gleichgesinnter schaffen ein einmaliges Setting, daß Leary und seine Mitstreiter nicht nur emotional sehr eng zusammenwachsen läßt, sondern durch die Intensität der philosophischen und wissenschaftlichen Gespräche auch eine Art Gründerzeit für ein neues Zeitalter des Bewußtseins darstellt.

Den ersten Ansatz zu der sich im laufe der Zeit immer bedeutender werdenden Theorie des SET (Einstellung des Probanden zur Sitzung) und SETTING (Stimmung der Umwelt / Umgebung während der Sitzung), bringt Huxley durch die hundert Jahre alte Technik des Club des Assasins zum Einsatz von Haschisch ein:

„…. daß, will man den vollen Zauber von Haschisch genießen, sich im voraus darauf vorbereiten und auf irgendeine Art das Motiv für seine extravaganten Variationen und unordentlichen Phantasien stellen muß …“

(Die Assassinen (eigentlich: hashishim) waren eine arabische Bruderschaft, die während der Kreuzzüge gegen die Christen im Heiligen Land kämpften. Hashishim bedeutet übersetzt: Haschischesser.)

Es folgen weitere Beschreibungen der zu bevorzugenden Atmosphäre, die Learys Ansatz im Umgang mit Drogen zu experimentellen bewußtseinserweiternden Zwecken bestärken.

Immer mehr graduierte Harvard Studenten wünschten sich dem Projekt anzuschließen, so daß das Projekt fakultätsintern zu einem immer heißer werdenden Thema wurde: nicht unbedingt wegen ethischer Bedenken seitens anderer Professoren, sondern mehr durch den Run auf Learys Vorlesungen und Kurse und dem entsprechenden Leerbleiben der Hörsäle anderer Kurse. Leary achtet aber streng darauf, daß nur wenige ausgewählte graduierte Studenten aktiv an den Versuchen teilnehmen.

Die positiven Ergebnisse der Sitzungen innerhalb Harvards führte immer mehr zu der Frage: „Wie können wir die Methoden der Bewußtseinserweiterung der Gesellschaft zugänglich machen?“

Zielkonflikt im Verhalten gegenüber gesellschaftlichen Dogmen

Wie ihm bereits sein Freund Barron geraten hatte, befürwortete auch Huxley die Strategie, bewußtseinsverändernde Drogen nur privaten, ausgewählten elitären Kreisen zu nutzen. Er sah den aufkommenden Konflikt zwischen dem evolutionärem Potential von LSD und der christlichen Doktrin des Nichtwissens voraus, auch wenn er von der nicht mehr zu stoppenden Eigendynamik des Zeitalters eines neuen Bewußtseins überzeugt war.

Die Experimente mit psychedelischen Drogen, verbunden mit herkömmlichen Therapieansätzen, verbreiten sich in medizinischen, psychiatrischen und psychologischen Kreisen rasant. U.a. wurde LSD erfolgreich zur Unterstützung von Neurosen und Alkoholismus eingesetzt. Den Forschern mit therapeutischen Ansatz war dabei bewußt, innerhalb des Systems bleiben zu müssen, d.h. selektiv nur in der Therapie einzusetzen.

Auch die esoterische und philosophische Tradition sah aber den Weg der Integration dieses Wissens ausschließlich für einen kleinen elitären Kreis, wenn auch öffentlich gehandhabt, vor. Würde man an die Öffentlichkeit gehen, würden sich die Moralwächter der Nation und der konservative Geist des Traditionellen erheben.

Von Philosophen und Gelehrten wurde die Entwicklung ebenfalls unterstützt, im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Forschern allerdings mit dem Ziel einer evolutionären Bewußtseinserweiterung, die gesellschaftsverändernde Erkenntnisse mit sich bringt.

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6. Die Politik der Ekstase

1960 Harvard , Die neurologische Revolution

Barron und Leary lernen Allan Ginsberg kennen. Dieser berichtet ihnen von den Zeremonien und vom Handling heiliger Drogen der Curanderos. Die Wichtigkeit und Bedeutung eines Führers / Meisters, der den Probanden in den veränderten Bewußtseinszustand hinein und wieder hinaus führt wird Leary hier bewußt.

(Ginsberg ist ein bedeutender amerikanischer Dichter der Beat-Generation. Beschäftigte sich neben seinem linkspolitischen, anarchistischem Engagement mit Zen, Yoga, Buddhismus, bewußtseinsverändernden Drogen.)

In einer ziemlich abgedrehten Sitzung beschließen sie die neurologische Revolution ins Leben zu rufen: Erst würden sie einflußreiche Amerikaner in die Welt der Bewußtseinserweiterung einführen, um dann die öffentliche Meinung, gleich der Wirkung einer Welle, umzustürzen. Durch den Zuspruch anerkannter Prominenz erhofften sie sich nicht nur eine positive Politik, sondern auch Forschungsprogramme und Lehrzentren, die zu einer sicheren Indoktrination führen würden.

Experimenteller Mystizismus oder Ersatzmystizismus?
Durch den Kontakt zu Ginsberg, wird die Beat-Bewegung auf Leary aufmerksam und sucht Kontakt zu ihm. Anfangs hat Leary noch ein ausgesprochen differenziertes Verhältnis zu den Beatniks, läßt sich dann aber doch beeinflussen. Nach wie vor sieht er sich als Wissenschaftler, welcher sich auf einem sehr kritischen Pfad in einem konservativen Umfeld befindet. Seine Versuche, er nennt sie selbst „experimenteller Mystizismus“, haben ihm u.a. gezeigt, daß je älter ein Proband ist, desto schlechter kann sein Bewußtsein mit den neuen Erfahrungsräumen umgehen. Neal Cassady überzeugt Leary aber davon, daß sehr viele große Denker des 19. Jahrhunderts (Shelley, Keats, Darwin, Edgar Allan Poe, Freud, James Joyce, Gurdjieff, Crowley, ..) sich durch Drogen haben inspirieren lassen, und daß trockene wissenschaftliche Erkenntnis zwar auch ihren Wert hätte, letztendlich die Kreativität und die großen gedanklichen Sprünge durch Drogen verursacht wurden.

Bei Sitzungen mit Beatniks bestätigt sich seine Theorie, daß LSD / Psilocybin wenig spezifisch vorhersagbare Wirkung hat, daß es lediglich den Geist befreit um überall dorthin gehen zu können, wohin man bereit ist.

Auch eine Sitzung mit Arthur Koestler bestätigt dies wieder: Dieser hatte in England im Rahmen einer psychiatrischen Sitzung Psilocybin genommen und einen üblen Horrortrip erfahren. Leary wollte Koestler aber durch eine Demonstration einer Sitzung, bei der Koestler nur Beisitzer ist, das positive Potential der Droge zeigen. Während der Sitzung entschließt sich Koestler dann aber doch, selbst teilzunehmen. Anfangs läuft alles entspannt, dann bemerkt der sehr zwanghafte Koestler aber, daß sich ihm die visionäre Welt wie von allein und ohne Mühe eröffnet. Er blockt die Erfahrung mit dem Ausspruch „Ersatzmystizismus“ ab und versperrt sich der Erfahrung mit der Einstellung, daß nur was Schweiß und Mühe kostet, wertvolle Erfahrung sei. Im Laufe des Trips unterliegt sein blockierender Verstand dann doch, obwohl er sich am nächsten Morgen (leider) nicht mehr an die Erkenntnisse des Abends erinnern kann oder will. Er ist dem Alkohol mehr zugewandt, da ihn dieser nach eigenen Worten nicht in die inneren Tiefen führt, sondern der Welt und den Menschen öffnet …

Auch Leary und Barron unterhielten sich über den Gedanken der „Abkürzung“ durch Drogen kontra jahrelanger und oft mühseliger psychischer Arbeit. Beide kamen zu dem Schluß, das es kein Fall von entweder/oder ist, sondern von sowohl/als auch. Leary formulierte treffend:

„Wenn ich mir´s so überlege sind alle Lebensgeheimnisse Abkürzungen. Ich bin Wissenschaftler. Drogen als Werkzeuge ablehnen wäre so, als würde man das Mikroskop ablehnen, weil es das Sehen so leicht macht. Ich bin der Meinung, die Menschen verdienen jede Offenbarung, die sie kriegen können.“

1960 New York City, Transformationsfaktoren

Im Herbst wird Leary von Ginsberg nach New York eingeladen, um dort mit einer Reihe prominenter Person en die Kampagne (Politik der Ekstase) zu starten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Leary bereits mit ca. 100 Personen Sitzungen abgehalten. Geplant sind Sitzungen mit Jack Kerouac (Schriftsteller), Robert Lowell (Dichter, Gewinner des Pulitzer Preises) und Barney Rosett (bekannter, einflußreicher amerik. Verleger).

Alle drei Sitzungen sind in gewisser Weise ernüchternd für Leary: Keiner der drei hat trotz einer positiven Einstellung vor, und einer subjektiv positiv ablaufenden Sitzung, die von Leary erwünschte tiefe Transformation oder Offenbarung erlebt.

Bei der Sitzung mit Kerouac, der unter Pilzen mehr alkoholisiert als transzendiert wirkte, erlebte Leary sogar seinen ersten eigenen negativen, depressiven Trip. Allerdings lernte er hier auch, welche Macht der Mensch in diesem Moment über seinen eigenen Geist hat, wie er sich bildlich gesprochen selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen kann. Und auch, wie wichtig persönlicher Zuspruch (hier durch Ginsberg) sein kann, um jemand aus den Wirren destruktiver Gedankenkreise herauszuziehen.

Folgende vorläufige Folgerungen ziehen Ginsberg und Leary aus den Erlebnissen des Wochenendes:

1. Je älter eine Person, desto größer scheint die Furcht vor visionärer Erfahrung zu sein, denn je mehr die entsprechende Person zu verlieren hat (Karriere, gesicherter gesellschaftlicher Status), um so geringer war die Bereitschaft über das lineare Denken, jüdisch-christlicher Geistesstrukturen hinauszugehen.
2. Positive Erfahrungen machten sie hingegen mit jungen Menschen (um die 30), gesellschaftlichen Außenseitern und Randgruppen.
3. Dominante Menschen, die nicht die Kontrolle über ihr herrschendes Bewußtsein abgeben wollen oder an ihrer persönlichen Wirklichkeit festhalten wollen, kommen aus den Sitzungen unverändert hervor.
4. Nur wer Sinn oder Transformation sucht, erlebt diese auch.
5. Frauen scheinen empfänglicher für Mehrfachwirklichkeiten und gegenüber der Relativität der Natur zu sein.

1961 Newton Center, Massachusetts, Wissenschaftliche Akzeptanz der Forschungsarbeit

R. Alpert kehrt im Januar 1961 nach einem Semester als Gastdozent an der Berkley Universität, Kalifornien zurück nach Harvard. Erstmals nimmt er die heiligen Pilze und erlebt eine überwältigende Erfahrung: die Existenz von Mehrfachwirklichkeiten, die Unabhängigkeit des Ich vom gesellschaftlichen Ego.

Da sich Frank Barron aus familiären Gründen aus der aktiven Forschungsarbeit zurückzieht, übernimmt Richard Alpert nun die Position des Co-Direktors des Harvard-Drogen-Forschungsprogramms.

Alpert stellt den Kontakt zur Orientalistin Dorothy Normann her, mit der eine erfolgreiche Sitzung durchgeführt wird. Als Vertraute des indischen Premierminister Nehru, ermöglicht sie, daß Nehru Alpert und Leary eine zweiwöchige Einladung nach Indien ausspricht, um dort ein gleichartiges Forschungszentrum in Indien einzurichten.

Die Erfolgswelle hält an: 2 Wochen später sind Alpert und Leary in Durham, Northcarolina um mit der Belegschaft von J. B. Rhine ein parapsychologisches Projekt durchzuführen.

(J.B. Rhine: Berühmter und wissenschaftlich anerkannter Parapsychologe, der erstmals standardisierte und heute noch verwendete Tests in die ASW-Forschung einführte.)

Neben zahlreichen anderen Besuchen bei prominenten Personen, Vorträgen, Workshops und Seminaren, besuchten Leary und Alpert auch die Sandoz Laboratorien und den Vorsteher des US Bundes-Gefängnissystems, um diese von den revolutionären Möglichkeiten von Psilocybin zu überzeugen.

Als wohlerzogene und gebildete Harvard-Psychologen, hatten die zwei durchschlagende Wirkung. Leary als ideologischer Führer und „Drehbuchautor“, Alpert als talentierter Verkäufer und charmanter „Diplomat“. Auch privat sind die beiden ein gutes und harmonisches Team: Sie leben über vier Jahre lang in einer häuslichen (nicht-sexuellen) Partnerschaft, in der jeder seine eigenen Part in der Kindeserziehung und im Haushalt hat.

Im März 1961 sieht die Bilanz der Psiloybin Versuchsreihen folgendermaßen aus: von ca. 200 Versuchspersonen berichten 85%, daß diese Erfahrung die lehrreichste ihres Lebens war. Als Vergleich: bei herkömmlichen Psychotherapien berichten nur etwa 35% von positiven daraus resultierenden Veränderungen.

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7. Zwei bemerkenswerte Experimente mit Psilocybin

Trotz dieser sehr positiven, aber immer noch subjektiven Einschätzung der Probanden, fehlte Leary ein objektiver Beweis zur Verhaltensänderung. Eine glücklicher Zufall bot Leary dann eine unerwartete Chance eines groß angelegten Gruppenexperiments: eine Anfrage von der Gefängnisverwaltung in Massachusetts, ob Harvard Assistenten für psychologische Forschung zur Verfügung ständen. Solche Aufgaben gehörten zu den undankbarsten Jobs bei jungen Forschern überhaupt, da positive Verhaltensänderungen bei Kriminellen noch schwieriger zu erzielen sind.

1961 Harvard, A. Gruppenexperiment mit Sträflingen

Erstaunlicherweise gab es keine großen Probleme, die Anstaltsleitung von dem Versuch zu überzeugen. Die Rückfälligkeitsquote mit herkömmlichen Rehabilitationsprogrammen wie Verhaltenstherapie betrug zu diesem Zeitpunkt 70% – kein besonders erfreulicher Wert. Und angesichts solcher schlechten Perspektiven, konnte man mit einer neuen innovativen Therapie auch nicht mehr viel falsch machen. Weiterhin wurde es vom Anstaltspersonal sehr positiv aufgenommen, daß sich hochangesehene Harvard Psychologen mit ihren Problemen beschäftigten – so etwas gab es wohl noch nie. Der Anstaltspsychiater Dr. Jefferson Monroe überraschte Leary sogar mit einer sehr positiven Einschätzung der Wirksamkeit des Experiments. Seine Bedenken lagen dort, daß der Staat ein Problem damit hätte, wenn tatsächlich die Rückfälligkeitsquoten sinken würden … Verbrecher dienen einem Staat als Projektionsfläche zur Selbststabilisierung … würde die Methode funktionieren, müßte Leary damit rechnen, daß gerade dann Politik gegen seine revolutionären Entdeckung gemacht werden würde. Dies war wieder eine Mahnung, die Leary seinerzeit nicht verstand.

Nach einer Einstimmungssitzung mit Monroe, seiner Frau, Leary und dem Doktoranden Ralph Metzner, wurde zügig mit der ersten Versuchsreihe begonnen:

Das Experiment:
Teilnehmer waren 6 Insassen (2 Mörder, 2 Räuber, 1 Veruntreuer und 1 Heroindealer). Alle wurden ausführlich über das Experiment informiert und hatten eine positive Grundeinstellung zu dem, für sie erstmaligen, Versuch. Vor dem Versuch mußten die Probanden sich einer Reihe psychologischer Tests unterziehen, die dann nach 3-4 LSD Sitzungen wiederholt werden sollten. Anschließend sollte eine weitere Versuchsreihe gestartet werden, nach der dann die Ergebnisse mit den Probanden offen besprochen werden sollten.

Problematisch an dem Versuch waren dabei nicht nur das Setting, sondern auch die extreme und natürlicherweise unausgeglichene Grundstimmung der Insassen. Insgesamt nahmen an der Sitzung 9 Personen teil: 3 der Verbrecher aktiv unter LSD, die drei anderen als Beobachter und die 3 Harvard Psychologen, von denen die beiden Doktoranden als Beobachter fungierten, während Leary selbst auch Pilze nahm. Gleichberechtigte Bedingungen für alle Teilnehmer und absolute Offenheit waren vereinbart.

Eine positive Atmosphäre in einer kahlen unpersönlichen Zelle mit Schwerverbrechern aufzubauen um dann eine positive Veränderung der Persönlichkeit zu erreichen, erschien Leary auf einmal unmöglich, als er zur ersten Sitzung plötzlich mit den ihm eigentlich unbekannten Gefangenen hinter Gittern saß. Es baut sich eine angsterfüllte Spannung auf, mit der Leary selbst zuvor nicht gerechnet hatte. Erst als den Teilnehmern mitten in der Sitzung plötzlich klar wurde, daß alle, Probanden als auch Versuchsleiter selbst, Angst voreinander aus den unterschiedlichsten Gründen empfanden, löste sich die Spannung plötzlich schlagartig auf. Jeder hatte seine unbewußten Ängste in die anderen projiziert: die Gefangenen in Leary, daß dieser ihn kontrolliere und manipuliere, während Leary sich seinen Ängsten vor der potentiellen Gewalttätigkeit der Gefangenen gegenüber stand. Die gemeinsame Angst verband sie plötzlich, so daß jeder seine Projektion zurücknehmen konnte, um zu einem neuen Metastandpunkt zu finden. Die angsterfüllte Atmosphäre war schlagartig einer Vertrautheit gewichen, die einer fürsorglichen und fast vertrauten Stimmung wich.

Nach den drei Sitzungen mit dieser Gruppe war nicht nur ein freundschaftliches Band durch die gemeinsame Erfahrung zwischen den Gefangenen und den Psychologen gewachsen, sondern durch die Mundpropaganda unter den Insassen auch eine positive erwartungsvolle Haltung gegenüber der möglichen neuen Erfahrung entstanden.

Ergebnisse:
Die ersten Einzelergebnisse waren unerwartet positiv und signifikant in Richtung verbesserter geistiger Gesundheit: Die Probanden zeigten weniger Depression, Feindseligkeit und asoziale Tendenzen, dafür aber mehr Energie, Verantwortlichkeit und Kooperation. Zum durchschlagenden Erfolg wurde dann aber die Idee, die Probanden zu Psychodiagnostikern auszubilden, d.h. ihnen selbst psychologisches Werkzeug in die Hand zu geben. Es bildete sich eine enorme gesunde Eigendynamik: Die Gefangenen bildeten eigenständig Diskussionsgruppen zum Thema Persönlichkeitsmerkmale usw. Sie begannen sich selbst zu beobachten, Verhalten zu reflektieren und Verantwortungsgefühl zu empfinden. Dieser positiven Entwicklung entsprechend, wurden die nächsten Versuchsreihen mit von den nun „ausgebildeten“ Probanden der ersten Sitzungen geleitet. Die Gefangenen therapierten sich nach dem Schneeballsystem nun selbst – das Gefängnis wurde zum Ausbildungszentrum. In den folgenden Wochen leiteten erfahrene Sträflinge junge unerfahrene Harvard Psychologen an und erfahrene Studenten wiederum unerfahrene Häftlinge.

Die Energie und das Selbstwertgefühl der Insassen verändert sich extrem positiv. Das Projekt wurde zu einem Vorzeigeobjekt und viele unabhängige Psychiater reisten an, um die Ergebnisse selbst zu bewerten. Auch den Drogenprojekten positiv gegenüberstehende Unbeteiligte wie Alan Watts oder Aldous Huxley besuchten die Insassen um mit diesen Gespräche über ihre tiefgehenden mystischen Erfahrungen zu führen.

Langfristige Resultate: Das Projekt KONTAKT
Nach einem knappen halben Jahr hatte sich die psychologische Situation der Probanden so verbessert, daß man 2-3 Teilnehmer des Projekts pro Monat auf Bewährung vorzeitig entließ. Um auch nach der Entlassung die Stabilität der neuen Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten, wurde entsprechend dem Freundschaftssystem jedem Entlassenen zwei Harvardstudenten als Betreuer zugeordnet, was von beiden Seiten positiv aufgenommen wurde, da sich wirkliche freundschaftliche Beziehungen angebahnt hatten. Die Betreuer kümmerten sich um die Entlassenen wie Familienangehörige, standen für deren Probleme 24h am Tag mit einer eigens dafür eingerichteten Telefonleitung zur Verfügung, bemühten sich zusammen um Jobs und versuchten das soziale Umfeld der Entlassenen positiv aufzubereiten.

Das Resozialisierungsprogramm, welches Leary mit seinen Leuten und den Gefangenen gemeinsam entwickelt hatte, nannten sie KONTAKT. Nach zwei Jahren konnte das Projekt das positive Ergebnis von einer Rückfallquote von nur 10% vorweisen. Man beachte, daß diese zuvor bei über siebzig Prozent lag!

Das Projekt wurde bis Mitte 1963 von staatlicher Seite geduldet. Als Leary dann aber immer mehr politischen Druck bekam und letztendlich in Harvard rausflog, bedeutete dies auch das offizielle Ende des Gefängnisprojekts. Das Selbsthilfeprogramm jenseits der Gefängnismauern wurde aber für die Ex-Häftlinge von dem befreundeten Professor Learys, Dr. Walter Houston Clark, noch 15 Jahre erfolgreich weitergeführt.

Kurzgefaßt läßt sich sagen, daß folgende Vorgänge maßgeblich die positiven Entwicklungen verursachten:

Das Wahrnehmen neuer Wirklichkeitsräume erweiterte den extrem eingegrenzten Horizont der Verbrecher. Sie erfuhren plötzlich am eigenen Leib, daß es auch noch Dinge außerhalb ihrer kriminellen Verhaltensmuster gibt, die viel bedeutender und wirklich lebenswert sind.
Die neu gewonnenen tiefen Beziehungen zu anderen Insassen und auch den Studenten, also Personen außerhalb ihres normalen sozialen Umfeldes, führten zu der Entwicklung sozialer Kompetenz, die in diesen sozialen Milieu ansonsten unterentwickelt ist.
Während normale psychologische Vollzugsprogramme auf Konditionierung, d.h. einem Straf- und Belohnungssystem beruhen, setzte die psychedelische Therapie bei der Neuprägung der neuropsychologischen Struktur der Probanden an. Als Querverweis seien hier die Versuche von Konrad Lorenz genannt: Bei der Neuprägung, die nur zu ganz bestimmten Schlüsselmomenten in der psychologischen Entwicklung möglich ist, verbindet sich ein Organismus während dieser kritischen Zeit mit der Umwelt, anstatt wie bei der Konditionierung von der Umwelt ein bestimmtes Verhalten zu beziehen.

Gerade letzterer Punkt machte Leary das Potential von LSD bewußt. Er selbst schätzte die Entdeckung der psychedelische Neuprägung neben der Entdeckung der DNS als eine der wichtigsten Entdeckungen dieses Jahrhunderts ein.

Über den Ethnobotaniker (Fachrichtung: psychoaktive Pflanzen) Richard Evans Schultes, der das Botanische Museum in Harvard leitete, lernt Leary Robert Gordon Wasson kennen. Wasson hatte erstmals nachgewiesen, daß die in den Überlieferungen vorkommenden heiligen Pilze, tatsächlich existieren. Zusammen mit Roger Heim, einem bedeutenden französischen Mykologen, hatte Wasson erstmals aus Mexiko psychoaktive Pilze mitgebracht, deren Wirkstoff dann von den Sandoz Laboratorien durch Albert Hofmann synthetisiert wurden.

(R.G. Wasson ist ein amerikanischer Bankier und Industrieller, mit starker rechtspolitischer Gesinnung. Trotz des Wissens um die Bedeutung der Pilze, bereute Wasson später, durch das Mitbringen der Pilze diese dem westlichen Kulturkreis, und damit der Öffentlichkeit, zugänglich gemacht zu haben. Er unterstützte hingegen die Gehirnwäsche-Experimente der CIA mittels des Wirkstoffs.)

Auf eine Anregung Ginsbergs hin, lädt Leary William Seward Burroughs nach Harvard zu einer Tagung der Amerikanischen Psychologischen Vereinigung ein. Burrough soll einen Vortrag über psychedelische Drogen halten. Zusammen mit Freunden nehmen Burrough und Leary auch Pilze. Burroughs zieht kurzzeitig mit in die Kommune. Es stellt sich aber heraus, daß der ziemlich abgefahrene Burroughs Leary und seine Freunde als zu wenig wissensschaftlich empfindet, da diese in ihrer Ansicht die „feindlichen“ Bereiche des Gehirns neu zu programmieren, ihm noch nicht extrem genug erscheinen.

(Burroughs studierte ebenfalls in Harvard, sammelte später aber als Weltenbummler sehr große praktische Erfahrungen mit allen möglichen Drogen und war über einige Jahre auch heroinabhängig. Bekannt wurde er in den USA als Autor zahlreicher Werke, in denen er seine Erfahrungen mit Drogen verarbeitete.)

1962 Harvard, B. Gruppenexperiment zur spirituellen Ekstase

Zusammen mit Houston Smith, Vorsitzendem der Philosophischen Fakultät des MIT, Walter H. Clark und Walter Pahnke, einem Arzt und Pfarrer, seinerzeit Doktorand der Philosophischen Fakultät, startete Leary ein weiteres großes Experiment – diesmal im spirituellen Bereich:

(Walter H. Clark ist Prof. für Religionsphilosophie an der Andover-Newton Theological School und war Gastprofessor in Harvard, als er sich dem Drogenprojekt Harvards anschloß. Später arbeitete er bei der Worchester Foundation for Experimental Biology und am Maryland Psychatriac Research Center im Spring Grove Hospital, wo er die Auswirkungen von Psychedelica an einer Krankenhausumgebung studierte. Clark war weiterhin Mitbegründer und zweimaliger Vorsitzender der Society for the Scientific Study of Religion. 1961 erhielt er für seine Beiträge zur Religionsphilosophie den William James Memorial Award der Amerikanischen Psychologischen Vereinigung (APV).)

Pahnke wollte als Doktorarbeit ein wissenschaftliches Experiment zur spirituellen Ekstase unter LSD durchführen (medizinisch überwacht, Doppelblindversuch, ausreichende Vor- und Nachuntersuchungen). Geplant war eine Gruppe von 30 Teilnehmern (Theologiestudenten), aufgeteilt in fünf Untergruppen aus je 6 Personen bestehend. Von den 6 Personen einer Untergruppe waren 2 unter Leary angelernte LSD-Führer. Alle Teilnehmer lernten sich zuvor in einem Orientierungstreffen kennen, um ihre Erwartungen und Befürchtungen auszutauschen.

Das Experiment fand in der Kapelle der Universität Boston statt. Die Hälfte der Probanden erhielt im Blindversuch ein Placebo mit somatischer Wirkung (u.a. Wärmegefühl, verstärkte Durchblutung, aber nicht psychoaktiv). Da die Pillen in versiegelten Umschlägen nach dem Zufallsprinzip verteilt worden waren, war auch der Versuchsleiter nicht darüber informiert, welcher der Probanden ein Placebo erhielt.

Bereits nach einer halben Stunde war offensichtlich, welche Probanden das LSD erwischt hatten: Diese benahmen sich unkonventionell und hatten visionäre Erlebnisse, die sich unterschiedlich ausdrückten. Der eine erzählte von seiner Gottesvision, ein anderer sang versunken Hymnen, murmelte verwunderte Gebete, ein anderer spielten ergriffen auf der Orgel. Alle, die LSD erwischt hatten, waren deutlich von einer mystischen Erfahrung ergriffen.

Die persönlichen Erlebnisse aller Teilnehmer wurden protokolliert und anschließend von unbeteiligten, in den Versuch nicht eingeweihte Studenten ausgewertet. Das Ergebnis wurde in den Medien mit positivem Tenor publiziert. Allerdings war die Resonanz der puritanischen Bevölkerung nicht uneingeschränkt positiv: Drogen, die den Geist zu vielfältigen Wirklichkeiten öffnen, führen unweigerlich zu einem polytheistischem Weltbild.

(Um das Experiment bewilligt zu bekommen, war es u.a. notwendig LSD Sitzungen mit zwei Dekanen zu unternehmen. Sowohl Smith als auch Clark testeten die Droge zuvor ebenfalls. Lediglich Pahnke mußte sich als Leiter des Experiments aus Neutralitätsgründen enthalten.)

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8. Pilze und die sexuelle Revolution

1962 Massachusetts, Sex unter Pilzen

Leary unternimmt mit seinem befreundeten Kollegen Abraham Maslow und zwei äußerst attraktiven und wohlhabenden weiblichen Bekannten einen Pilztrip. Die eine davon, Flora Lu verpaßt Leary in den anschließenden Wochen eine Einweihung in Ästethik und Sinneslust, die den zuvor eher spartanischen Leary neue Welten öffnet: den zu seiner rechten Gehirnhälfte. Übrigens hatte er zu diesem Zeitpunkt seine erste sexuelle Erfahrung unter Pilzen.

In einem Gespräch mit seinem Freund Huxley über diese faszinierenden Erfahrungen, macht ihn dieser auf die Brisanz des Themas aufmerksam: Neben den „Gefahren“ der Persönlichkeitsveränderung, „unkontrollierbarer“ mystischer Erfahrungen kam für die Hüter der Gesellschaft nun auch noch die Gefahr einer sexuellen Revolution hinzu.

Huxley kannte diese Wirkung bereits und berichtete, daß an der Westküste der USA der Begriff LSD bereits eine neue Sinngebung erhalten hatte: Let´s Strip Down. Leary resümierte im nachhinein, daß wohl diese Wirkung von LSD eine der Hauptursachen für die Verfolgung der Droge geworden ist …

1962 Harvard, Learys erster LSD-Trip und „Meister“ Hollingshead

Leary lernt den Wissenschaftler Michael Hollingshead kennen, der gezielt Kontakt zu Leary aufnahm. Hollingshead nahm für sich in Anspruch mehr LSD genommen zu haben als jeder andere Mensch. Von Sandoz hatte dieser für Versuche am Netzgewebe von Spinnen, zehntausend Dosen Lysergsäure bezogen. Da er und ein Kollege nichts über die menschliche Dosierung wußten, nahmen diese versehentlich etwa die hundertfache Dosis zu sich. Die Versuche mit Spinnen interessierten sie daraufhin nicht mehr besonders.

Leary empfindet ihn anfangs als exzentrisch und ein wenig wichtigtuerisch; er selbst hatte noch keine LSD Erfahrung. Wegen der sensiblen politischen Wirkung seiner Versuche, hielt er sich zu diesem Zeitpunkt nur an die Pilze – nicht an LSD und auch kein Marihuana (mehr).

Der LSD-Trip wirft Leary ziemlich aus der Bahn: er nennt es die erschütterndste Erfahrung seines Lebens. Die Erfahrung gegenüber der zu Psilocybin ist für ihn deutlich unterschieden. Während erstere stärkere sinnliche Wahrnehmung vermittelt, ist der LSD Trip auf einem energetisch höherem Niveau und sehr viel geistiger ausgerichtet. Das Zurückkommen von dem Trip empfindet er als eine Degeneration in eine primitve fleischliche Hülle, wo er doch noch wenige Stunden zuvor dem göttlichen so nahe war. Die Wirkung zieht sich kaum merklich noch eine Woche hin. Obwohl er sich in der Zeit danach wieder mit seinem „menschlichen Sein“ abfinden kann, wird sein Verhältnis zur Realität nie mehr so wie zuvor. Er kann das Leben nur noch als ein Schauspiel betrachten, in dem die Menschen sich wie Marionetten bewegen, sich selbst eingeschlossen.

„… es ist mir nie wieder möglich gewesen, mich, mein Gehirn oder die gesellschaftliche Welt ganz so ernst zu nehmen. Seit jener Zeit ist es mir peinlich bewußt gewesen, daß alles, was ich sehe, alles in und um mich, eine Schöpfung meines eigenen Bewußtseins ist, und daß jeder in einem neutralen Kokon von privater Wirklichkeit lebt …“

Hollingshead empfindet er nach dem Trip eher wie einen Wissenden, fast wie einen kosmischen Wegweiser. Leary selbst ist in seiner Ausstrahlung so verändert, daß sein Freund Dick sich ernsthafte Sorgen um ihn macht. Auch die positiven Ergebnisse der beiden Experimente stoßen in der konventionellen Psychologie und anderen Wissenschaften eher auf Widerstand, da sie am etablierten Bild der Wirklichkeit rütteln. Positive Anerkennung kam hingegen von den Theologen, sowie Physikern und Astronomen des MIT. Die beiden letzteren Richtungen nutzten seinerzeit die Drogen, um Mehrfachwelten und relativistische Perspektiven zu erfahren. Auch Karl Pribrams holografische Theorie des Gehirns beruht auf den Drogenerfahrungen in dieser Zeit.

1962 Harvard , Erste negative Schlagzeilen

Persönliche Rivalitäten und die Brisanz der Forschungsergebnisse führten im Jahr 1962 dann zu der ersten offenen Auseinandersetzung an Harvard. Leary nimmt die Vorwürfe auf einem eigens einberufenen Stabstreffen der Professoren noch nicht ernst – auch nicht, als am nächsten Morgen in einer Bostoner Zeitung die Schlagzeile prangt: Drogenskandal in Harvard!

Leary konnte man aber keine Delikte oder Verstöße in seiner Forschungsarbeit vorwerfen. Trotzdem wurde von der Drogenbehörde in Massachusetts eine Untersuchung eingeleitet. Noch hat Leary aber ausreichend Unterstützung und Fürsprecher von behördlicher Seite. Aber auch von prominenter Seite erhält er sowohl politisch als auch später finanziell Unterstützung durch Peggy Hitchcock.

(P. Hitchcock: Internationale, damals knapp 30jährige, Jetsetterin und Millionenerbin, die maßgeblich auch die Bollingen Foundation (Werke C.G.Jungs / Publikation des I Ging) u.a. wissenschaftliche Projekte unterstützte.)

Um die Situation in Harvard zu entspannen, beschloß Leary mit der Universitätsleitung, daß Projekt über die Sommermonate nach Mexiko zu verlegen. Bevor er mit seinen Freunden Dick und Peggy an die Pazifikküste abreist, erhält er von dem ihm freundschaftlich gesonnenen Leiter der untersuchenden Drogenbehörde noch den Hinweis, daß nicht nur in FBI Reihen bereits interessiert Material gegen/über ihn gesammelt wird, sondern daß das FBI die Finanzierung seiner Projekte in Harvard deckt. Aber auch der CIA hatte seine Finger im Spiel, und steckte wohl als Initiator hinter der kürzlichen Opposition in Harvard. Washington beobachtete Leary bereits zu dieser Zeit sehr genau, ließ ihn aber noch gewähren.

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9. Die politische Verschwörung

1962 Harvard, Begegnung mit Mary Pinchot

Im Sommer ´62 tritt eine weitere wichtige politische Schlüsselfigur in sein Leben: Mary Pinchot, eine sehr attraktive junge Frau, die lernen will, wie man eine LSD Sitzung durchführt. Ihr geht es dabei weniger um ihr persönliches Erleben, als um die Technik und die Möglichkeiten, die das Werkzeug LSD bietet. Ihr Ziel ist es, was Leary zu diesem Zeitpunkt wie eine Flause erscheint, bedeutende Politiker anzutörnen, um dadurch bestimmte politische Ziele zu verfolgen. Über sie selbst weiß er so gut wie nichts.

Die Dinge die sie Leary erzählt, hören sich im höchsten Maße nach einer Verschwörungstheorie an, die auch das spätere Attentat auf Kennedy unter einem neuen Licht erscheinen läßt. Sie deutet an, daß es in Washington eine Gruppe von Leuten hinter der Regierung gibt, die wirklich an den Fäden ziehen … und sich ganz besonders für Drogen zu Kriegszwecken, zur Gehirnwäsche, zu Kontrollzwecken interessiert. Sie persönlich gehöre wiederum einer anderen Gruppe an, die dieselben Mittel zu friedlichen Zwecken gegen diese Politik einsetzen will. Diese Gruppe besteht aus Frauen, die durch eheliche Beziehungen oder auch sexuelle Affären mit den führenden Politikern, diese verändern und subtil beeinflussen wollen – u.a. unter Zuhilfenahme von bewußtseinsverändernden Drogen ….!

1962 Hollywood, Frühere Forschungen mit LSD

Leary ist von Dr. Oskar Janinger, einem prominenten Psychiater, nach Hollywood eingeladen worden. Leary findet dort bestätigt, daß es eine sehr alte Tradition der Bewußtseinsforschung mit Drogen gibt (u.a. zurückgehend auf die Sufis, die vedischen Hindus bis hin nach Eleusis), diese aber stets im privaten und verborgenen geführt wurde. Janinger praktizierte bereits seit den 50iger Jahren Therapien mit LSD, hängte dies aber nie an die große Glocke.

Seine Beobachtungen deckten sich sehr mit Learys Versuchen: Die häufigsten Aussagen von Probanden / Patienten unter LSD war: „Alles lebt“ und „Alles bewegt sich wellenartig“. Beiden kam der Gedanke, daß das menschliche Gehirn die Welt so erlebt, wie in den Gleichungen Einsteins und der Quantenmechanik beschrieben wird.

(Janinger ist eine Schlüsselfigur der Welt der spirituellen Drogenerfahrungen. Er folgte der Tradition mystischer Sekten und behandelte zahlreiche prominente Persönlichkeiten (u.a. auch Filmstars wie C. Grant, Jimmy Coburn, Jack Nicholson, Kubrick) mit LSD.)

In Hollywood trifft Leary auf Partys viele Prominente, die ihn ebenfalls einladen und auch später oft noch in den Medien oder durch Spenden / Stiftungen unterstützten: Sowohl Cary Grant, Dennis Hopper, Marilyn Monroe oder Peter Fonda sind bereits LSD erfahren und tauschen sich begeistert mit ihm aus. Die Partys sind von eigenartiger Atmosphäre: sowohl buddhistische Swamis als auch auf eine Gruppe heranwachsender Hippies der ersten Generation, die später die „Bruderschaft der Ewigen Liebe“ gründen, tummelten sich dort.

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10. Das erste Sommerlager und Umsetzung der neuen Erfahrungen

1962 Zihuatanjeo (Mexiko)

Das Sommerlager hatte sich zwei Aufgaben gesetzt: Beobachtungen der Sitzungen zu sammeln und zu dokumentieren, sowie mit Methoden der Führung von Drogensitzungen (Set, Setting und Zentrierung) zu experimentieren. Die Gruppe bestand aus 30 Personen: einige diplomierte Studenten, Akademiker und einige Psychiater, darunter Alpert und Metzner. Learys neue Freundin Peggy Hitchcock war ebenfalls dabei. Die Gruppe hatte ein kleines Strandhotel komplett über den Sommer gemietet. Das Tagesprogramm bestand darin, daß ein Drittel der Gruppe trippte, ein anderes Drittel die Führung übernahm und dokumentierte, und daß das letzte Drittel ihre LSD Erlebnisse des Vortages reflektierte und Berichte darüber schrieb.

Leary las in diesen Wochen das Tibetanische Totenbuch und schrieb die später publizierte Übersetzung ins Psychedelisch-Amerikanische. Die Stimmung im Sommerlager war sehr anregend und entspannt, da es insbesondere darum ging, die Theorie von Set und Setting zu überprüfen. Gezielt sollte jeder Ansatz eines schlechten Trips in einen positiven transformiert werden. Selbstentdeckung war angenehm und Wissenschaft war gleichbedeutend mit heidnischer Lebenslust.

1962 Harvard, Das Psychlotron und das Modell der 8 Schaltkreise

Zurück in Harvard kauft Alpert ein großes Haus, in welches eine zwölfköpfige WG einzieht (Metzner, Leary und Alpert mit Lebensgefährten/innen und Kindern). Die Philosophie hinter dem WG-Projekt war es, einen Ort (Psychlotron) zu schaffen in welchem passive Prägungen und unbewußte gesellschaftliche Konditionierungen aufgelöst werden sollten. Das „Zuhause“ stellte eine Art Larvenstadium dar, durch das man sich hindurch entwickeln sollte.

Leider fand die WG in der Nachbarschaft keine Zustimmung. Leary und die anderen wurden zum Stadtrat geladen, wo man sie offiziell des Wohnrechts entheben wollte, da angeblich laut Gesetz nur eine Familie pro Haus vorgesehen ist. Die Stadt kam natürlich nicht damit durch.

Die WG schaffte ein philosophisch-wissenschaftliches Forum, zu dem auch der befreundete Alan Watts regelmäßig abends stieß, um über große Mystiker und Okkultisten erzählte (Blavatsky, Gurdjieff, Krishnamurti, u.a.). Watts festigte durch seine Gespräche mit Leary maßgeblich dessen Vorbehalt gegen Dogmen und ritualisierte Lehren.

(Gurdjieff lehrte nicht nur Meditation und Geheimwissen, sondern propagierte wohl auch einen „Vierten Weg“ Intelligenz zu steigern und das Gehirn zu Beherrschen: Drogen)

Thematisch wurden im Wintersemester an der Universität die Unterlagen und Versuche des Sommerlagers aufbereitet. Es entstand Learys Theorie der acht Bewußtseinsstufen (der Evolution des menschlichen Bewußtseins). Da die niederen Stufen sich nur nonverbal ausdrücken, war es notwendig ein spezielles auditives und visuelles Vokabular zu entwickeln. Es wurde eine spezielle Audiothek mit den bizarrsten psychoaktiven Geräuschen aufgebaut (z.B. in Klänge umgesetzte Gehirnwellen, feindselige Menschenmengen in 24 Sprachen, Walgesänge, Feuerwerk usw.).

Zwei interessante Ideen wurden dabei umgesetzt: Die Zeitkammer und die experimentelle Schreibmaschine:

Die Zeitkammer war ein im Keller liegender, fensterloser Raum, der nur durch einen dunklen tunnelartigen Geheimgang im Fußboden zu erreichen war. Der Raum war mit hinduistischen Blumenstoffen mit zellularen Mustern ausgekleidet, der Boden mit roten Samtkissen ausgelegt. Außer einer bronzenen Buddhastatue und Kerzen war der Raum leer. Zahlreiche Personen absolvierten Sitzungen in diesem frühen Vorgänger des Isloationstanks.

Bei der experimentellen Schreibmaschine handelte es sich um ein normale Schreibmaschine, deren Tasten nach einem vorher entwickelten Code bestimmte, komplexe Bewußtseinszustände unter Drogen zugeordnet war. Mit diesem Hilfsmittel war es den Probanden möglich, ohne viel Kommentare oder der Gefahr des Vergessens des Erlebten, während der Sitzung zu dokumentieren. Die gewonnen Daten wurde genutzt, um die 8 Schaltkreise des Bewußtseins zu definieren, die spezifischen Wirklichkeitsauffassungen zu analysieren und Möglichkeiten der Umprogrammierung daraus abzuleiten.

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11. Unruhe in Harvard und IFIF-Projekt

1962, Harvard

Im Winter ´62 nahm auch Mary Pinchot wieder Kontakt zu Leary auf. Nach wie vor erzählte sie Leary von ihren Plänen und Aktivitäten der feministischen Verschwörergruppe. Obwohl ihm die Storys teils paranoid vorkamen, konnte Pinchot ihn doch immer wieder durch politisches Detailwissen und Hintergrundinformationen in Erstaunen versetzen. Sie zeigte ihm das große Interesse politischer Gruppen und des Militärs an der Macht der bewußtseinsverändernden Drogen auf (u.a. soll LSD zur Manipulation von Soldaten im Koreakrieg verwendet worden sein). Die CIA toleriere den nichtsahnenden Leary bei seinen Forschungen, da er durch seine Forschungen deren eigene der 50iger Jahre unterstütze und fortführe. Solange er kein Aufsehen errege, würde man ihn an einem langen Gängelband halten und ihm die freidenkerische Narrenfreiheit eines Wissenschaftlers gewähren.

Pinchot lag viel daran, Leary für ihre Zwecke zu gewinnen. Da Leary keine objektiven Unstimmigkeiten zwischen ihren und seinen Idealen finden kann, willigt er schließlich ein, sie weiter in die Methodik der psychischen Gehirnwäsche und Neuprogrammierung einzuführen.

An der Universität verfestigten sich weiterhin die Fronten zwischen dem Zentrum für Persönlichkeitsforschung unter Leary und der konventionellen psychologischen Fakultät. Ein großes Problem war es, daß es keine gemeinsame Berufssprache gab, und erweiterte Bewußtseinszustände einfach nicht in das Konzept der damaligen Psychologie paßte. Es wirkte sich auf die Gesamtsituation auch nicht besonders entspannend aus, daß in diesem Winter zahlreiche Adepten und Lehrer aus dem esoterischen Zirkel als Gäste des Zentrums für Persönlichkeitsforschung auftraten. Die einzigen Psychiater die sich für Learys Projekte offen zeigten, waren Stanley Krippner und Martin Orne, beide regierungsgefördert.

(Stanley Krippner ist ein späterer amerikanischer Experte auf dem Gebiet psychischer Phänomene hinter dem Eisernen Vorhang. Martin Orne ist ein ebenfalls von der CIA finanzierter Bewußtseinsforscher.)

Die Harvard-Verwaltung stand nach wie vor hinter dem Drogenprojekt, das zu diesem Zeit international in wissenschaftlichen Kreisen große Anerkennung fand. Die Drogenbegeisterung vieler Studenten machte dafür Leary immer mehr zu schaffen: Diese hielten in ihrer Euphorie und Unreife wie einst Leary selbst nie mit ihren Erkenntnissen hinter dem Berg, so daß immer mehr besorgte Eltern sich bei der Universitätsleitung beschwerten. Zudem verursachte die drogenverursachte soziale Loslösung vieler Studenten, ein Abwandern nach Indien, um dort direkt die den Drogenerfahrungen nahestehende fernöstliche Philosophie, das Yoga, zu lernen.

Um weiteren Konflikten aus dem Weg zu gehen, beschlossen Leary und Gleichgesinnte freiwillig das Lager zu räumen und das private Drogenforschungsprojekt IFIF (International Foundation for Internal Freedom) ins Leben zu rufen. Das Ziel des IFIF war es, in ganz Amerika Forschungszentren einzurichten, in welchem neben einer psychologisch-medizinischen Beratung auch die Möglichkeit der Selbsterkundung für Mitglieder bestehen würde. Metzner gründete als Sprachorgan die Zeitschrift Psychedelic Review, während der diplomatisch begabte Alpert in Harvard als Kontaktperson zur staatlichen Forschung die Stellung in Harvard halten sollte.

Eine gut organisierte überregionale Pressekampagne bescherte dem IFIF innerhalb weniger Wochen über 1000 Mitgliedsbeitritte. Auch das nächste Sommerlager in Mexiko wurde geplant. Von den ca. 500 Anmeldungen, konnten aus organisatorischen Gründen aber nur 300 zukünftige Neuronauten auserwählt werden. Ärzte, die in IFIF-Zentren ausgebildet waren, sollten psychedelische Drogen (nur) an Mitglieder des IFIF verschreiben können – dies war die Grundstrategie.

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12. Das zweite Sommerlager

1963 Mexiko, Vorbereitung des Lagers und weiterer Trouble in Harvard

Da über private Spender nun sehr viel mehr Mittel zur Verfügung standen, wurden mehrere Psychiater als Berater fest eingestellt. Dr. Bill Brunell, ein Chemiker mit sehr guten Fachkenntnissen über Drogen, wurde zur Produktion ausreichender Mengen LSD eingestellt. Um ihm ein industrielles Labor vor Ort bieten zu können, flog Leary nach Mexiko um dort Verhandlungen mit einem großen mexikanischen Pharmakonzern zu führen. Weiterhin mußte er das Sommerlager vor Ort organisatorisch und politisch vorbereiten.

1963 waren psychedelische Drogen in den USA als auch in Mexiko legal. Lediglich gegen Marihuana und einige harte Drogen gab es eine Prohibition. Da psychedelische Drogen aber in den USA politisch umstritten waren, erschien die Möglichkeit einer industriell angelegten Produktion von LSD in Mexiko nicht nur Leary sehr verlockend, sondern auch den mexikanischen Chemiekonzernen, mit denen Leary in Verhandlung stand, sehr lukrativ. Mexiko schien auf dem besten Weg zu sein, eine zweite Schweiz zu werden.

Leider begann ab diesem Zeitpunkt sich das Blatt für Leary zu wenden:

Während er in Mexiko in Verhandlungen weilt, hört er plötzlich über Radio, daß er angeblich aus Harvard rausgeflogen ist. Leary kann sich nicht erklären, welche offiziellen Gründe dies haben sollte, zumal er einige Wochen zuvor bei seinem Mentor Prof. McClelland seinen Posten offiziell gekündigt hatte.

Der Rauswurf war in doppelter Hinsicht rechtlich anfechtbar: Es stellt sich heraus, daß während der Urlaubsvertretung von McClelland ein alter Rivale von ihm die Handlungsbefugnis hatte. Die offizielle Begründung lautete, daß Leary nicht zu seinen Vorlesungen erschienen war. Diese hatte er allerdings mit seinem Rücktritt geschlossen und die Begründung war somit falsch. Desweiteren war die Entlassung ohne Anhörung vorgenommen worden. Leary verzichtete trotz Unterstützung von Bürgerrechtsgruppen auf eine Klage. Die negative Propaganda durch die Anschuldigungen ließ sich sowieso nicht mehr rückgängig machen, zumal er sowieso nicht mehr Professor sein wollte und er sich rechtlich am Rande der Legalität bewegte.

Auch Alpert flog am selben Tag von seinem Posten: Er hatte gegen die Vereinbarung einem Studenten, zu dem er eine Affäre hatte, Drogen verschafft.

1963 Mexiko, Run auf das Hotel „Nirvana“ und Begegnung mit Arana

Im Sommerlager glitten die Ereignisse Leary ebenfalls langsam aus der Hand: Im ohnehin überbesetzten Lager (Hotel Nirvana) wollten Personen, die ursprünglich nur für ein oder zwei Wochen kommen wollten, nun den ganzen Sommer bleiben. Die Stimmung war zwar einmalig gut, die Situation aber immer unkontrollierbarer. Die Presse berichtete international so positiv über das Projekt, daß immer mehr Menschen angelockt wurden. Neben seriösem Publikum wanderten aber auch Horden von Hippies zu, die pleite und ungekämmt nach Erleuchtung suchten. Als die ersten kamen, wurden diese noch aus Gastfreundschaft für einen Tag aufgenommen, doch dies half nicht, sie wieder loszuwerden – im Gegenteil. Leary machte sich bei den Hippies nicht viele Freunde, als er die Massen schließlich direkt von einem Pendelschiff an einen weiter entfernten Strand bringen ließ.

Eine weitere Person, die sich anfangs Arana nennt, tauchte in diesem Sommer im Lager auf, diesmal aber, um eine Zusammenarbeit anzubieten: Er käme im Auftrag von Maria Sabina, einer bekannten Curandera, und hätte zwei Geschenke zu überbringen. Weiterhin wolle er mit Leary sein magisches Wissen teilen und sich und ihn so zu mehr Macht verhelfen. Das ganze ist so schmierig, daß Leary ablehnt und Arana bittet zu verschwinden. Arana verbringt die Nacht bei den Hippies am Strand. Am nächsten Tag erfährt Leary von jemandem aus dem Hippielager, daß dieser Arana sich dort als Carlos ausgegeben habe, der angeblich auch aus Los Angeles kommt. Da Arana Leary erzählt hatte, daß er von Oaxaca Indianern in die Magie eingeführt wurde und wegen Pilzen von einer Universität geflogen sei, schließt Leary später, daß es sich evtl. um Carlos Castaneda gehandelt haben könnte.

(Da das Auftreten von Arana so zwielichtig erfolgte und nicht unbedingt mit dem beschriebenen Selbstbild in den Büchern C. Castaneda in Deckung zu bringen ist, ist es genauso möglich, daß es sich um einen echten Hochstapler, der unter dem Namen CC auftritt, gehandelt haben kann.)

1963, Ausweisungen ohne Ende …

Der Ärger im Sommerlager nimmt weiter zu: Mary Pinchot hatte sich für einen Besuch angekündigt, kommt aber nicht vorbei und schickt nur ein mysteriöses Telegramm, daß es ihr und ihrem Projekt gut gehe, das Sommerlager aber in ernster Gefahr sei.

Einige Tage später wird eine Leiche am Strand gefunden. Die Presse vor Ort, angeheizt durch üble Verleumdungsreden vergraulter Hippies (schwarze Magie, Sexorgien usw.) ist sehr schlecht und Leary wird mit einem Ausweisungsbefehl aus Mexiko gedroht. Leary bemüht sich zwar um eine Aussetzung der Ausweisung, wird dabei auch von etlichen Personen / Organisationen vor Ort unterstützt, muß letztendlich aber doch seine Koffer packen, da sogar der mexikanische Präsident in dieser Angelegenheit Anrufe vom amerikanischen Botschafter und vom CIA erhalten hat.

Aber es kommt noch schlimmer:

Am Vortag der Abreise, kommt einer der Teilnehmer Duane Marvy, angeblich ein Ingenieur aus Boston, auf einen depressiven bis paranoiden Trip. Er beschimpft die Sitzungsführer als Kommunisten, faselt etwas davon, daß er alle beim CIA denunzieren würde. Da zu Beginn der Sitzung die Polizei aufgetaucht war, führt Leary den Trip zunächst auf ein schlechtes Setting zurück.

Am nächsten Morgen hängt Marvy immer noch katatonisch im Zustand des Vorabends. Leary nimmt sich daher während des Rückflugs persönlich seiner an, damit dieser wohlbehalten in die USA zurückkommt. Marvy wird aber vom Bordpersonal aufgrund seines Zustands nicht an Bord gelassen, so daß Leary nichts anderes übrig bleibt, als ihn in die städtische Psychiatrie von Mexikocity einzuliefern. Bei der Einlieferung findet Leary in den Papieren von Marvy dann diverse amerikanische Regierungsausweise, die ihn als Geheimnisträger ausweisen …

Leary schickt daraufhin folgendes Telegramm an das US-Verteidigungsministerium: „Ihr Agent Duane Marvy befindet sich in der Irrenanstalt Chapultepec in Mexiko City.“, bevor er sich selbst auf den Heimweg macht.

Zurück in Massachusetts, hat sich die öffentliche Meinung gegen ihn gewendet. Zuviel negative Publicity ist durch den Versuch, die Qualität des Sommerlager des Vorjahres zu wiederholen, entstanden. Mary Pinchot trifft sich kurz nach seiner Ankunft mit ihm und kritisiert freundschaftlich besorgt sein unbedachtes Vorgehen gegenüber den Medien.

Einen Monat später erhält er von einem einflußreichen LSD-Fan, John Presmont, von der Insel Dominica das Angebot, auf der Insel ein intellektuelles Tourismuszentrum für wohlhabende LSD-Freunde einzurichten. Entgegen der Einschätzung Presmonts und seiner guten politischen Kontakte, kommt es aber während des Kennenlern-Aufenthalts auf Dominica zu einem Umschwung: Mitten in einer Grundstücksbesichtigung taucht plötzlich der Kontaktmann Learys auf und berichtet, daß die Regierung die Polizei beauftragt hätte, Leary – angeblich größter Heroinhändler der Welt – sofort festzunehmen. Leary wird sofort ausgewiesen und nimmt am nächsten Morgen den Flieger nach Antigua.

Zufällig begegnet er dort einem alten Bekannten, der Learys Sorgen und Plänen offen gegenübersteht, selbst aber finanzielle Probleme hat und im Grundstückshandel tätig ist. Die beiden versuchen die Pläne für die Insel Dominica auf zwei kleine Inseln in der Nähe von Grenada zu übertragen. Kurze Zeit später erfolgt die dritte Ausweisung innerhalb von 2 Wochen – wieder mit Anordnung von „ganz oben“.

Leary lernt in diesen Tagen zwei Dinge:

Ohne eine Machtbasis (territorialer, politischer oder finanzieller Art) werden gesellschaftliche Innovationen von allen bestehenden Bürokraten gnadenlos verfolgt.
Vermittlungstechniken durch Medien und Mundpropaganda sind die heute notwendigen Instrumente, um eine Machtbasis der zukünftigen Informationsgesellschaft aufzubauen.

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13. Millbrook

1963 Millbrook (New York), Die philosophische Oase

Seine Freundin Peggy Hitchcock hilft Leary aus der Klemme: Über familiäre Beziehungen stellt sie dem Begründern der IFIF nach deren Rückkehr im September eine große, renovierungsbedürftige Villa mit weitläufigem Park zur Verfügung. Alle Pläne des IFIF werden vorerst fallen gelassen, damit sich die Presse beruhigt. Zusammen mit dem Ehepaar Metzner, seinen Kindern und Peggy zieht Leary nach Millbrook, wo das Haus in Eigenregie renoviert wird.

Zuvor hatte er noch einen großen Erfolg auf einem Kongreß der American Psychology Association in Philadelphia. Er stellt sein Modell der acht Schaltkreise und die postulierten Zusammenhänge zu theologischen Fragen und zur Evolution des Menschen vor. Dies wird begeistert aufgenommen.

1963 Neue Ereignisse zur Verschwörungstheorie und das Kennedy-Attentat

Die Zeit in Millbrook wird zur Versenkung und als Ruhepause genutzt. Unruhe bringt ein plötzliches Treffen mit Mary Pinchot, die völlig aufgelöst sich mit Leary an einem unbeobachteten Ort trifft. Sie berichtet von den erfolgreichen Entwicklungen in Washington, daß der Kreis aber bei der letzten Aktion aufgeflogen sei – eine Ehefrau hätte sie verraten!? Sie sei nun in echten Schwierigkeiten und fragt Leary, ob er evtl. bereit wäre, sie zu verstecken. Leary hält sie in Gedanken anfangs für hysterisch und paranoid, wundert sich dann aber über wieder über ihre guten Beziehungen zu bestimmten staatlichen und gut informierten Stellen, die sie zweifelsohne hat.

In diesen Tagen stirbt der gemeinsame Freund Aldous Huxley, den Leary durch Lesungen aus dem Tibetanischen Totenbuch in seinen letzten Tagen auf den Tod vorbereitete. In der Presse geht dies fast unter, da fast zur gleichen Zeit, am 22.11.63, Kennedy ermordet wird. Kennedy war der Drogenpolitik gegenüber sehr liberal eingestellt.

Ca. 14 Tage später meldet sich Mary Pinchot wieder bei Leary. Sie weint und ist völlig aufgelöst, spricht davon, daß irgendwer irgend etwas vertuscht habe. Das Gespräch bricht plötzlich ab. Leary hört lange Zeit nichts mehr von ihr.

[Mitte 1965 versucht Leary dann Kontakt zu ihr aufzunehmen, hat allerdings keine genauen Informationen über sie. Er findet heraus, daß sie vor über einem Jahr plötzlich verstorben ist, und macht sich weiter auf Informationssuche durch einen Freund, der bei der Time arbeitet. Mary Pinchot hieß richtig Mary Pinchot-Meyer und war eine sehr enge Freundin von Jacqueline Kennedy. Sie wurde bei einem gemeinsamen Spaziergang mit ihr ohne bekanntes Motiv am 13. Oktober 1964 mit zwei Schüssen in den Kopf und einen in den Bauch erschossen. Man geht von einer der größten Vertuschungsaffairen in der Geschichte Washingtons aus, die im Zusammenhang mit dem Kennedy-Mord steht. Weitere Informationen dazu im Kapitel 18]

(Mary Pinchots geschiedener Ex-Mann Cord J. Meyer war ein hochstehender Regierungsbeamter, dessen Stellung nicht weiter angegeben wird. Interessanterweise kannte Leary ihn „als Rächer“(?) seiner Studentenzeit.)

Auch in Millbrook bleibt Alan Watts ein häufiger und gern gesehener Gast. In einem zu einem Meditationshaus umgebauten ehemaligen Tennishaus, finden nicht nur gemeinsame spirituelle Feiern wie die Wintersonnenwende statt, sondern auch viele Abende in theoretischer und praktischer Arbeit mit dem I-Ging. Nach einer bei solchen Treffen entstandenen Idee, wurde Meditationswochen eingeführt, in welcher sich jedes Mitglied der Gemeinschaft für eine Woche völliger Isolation in das Meditationshaus zurück zog, um dort sein innerstes zu erforschen – gemäß der Philosophie von Millbrook mit Unterstützung von LSD. So erlebte Leary auch das erstemal einen Trip ohne Gesellschaft. Die Woche führte ihn sehr nahe an sein Innerstes und inspirierte ihn sehr. Über das Erlebte wurde „Logbuch“ geführt und in einem, an die Woche anschließenden, gemeinsamen Treffen der Millbrooker an den nächsten Sucher übergeben.

Während in der Welt draußen der Vietnam-Krieg tobte und die humanistische Psychologie ihren Boom erlebte, publizierte Leary gemeinsam mit Alpert und Metzner deren Version des Tibetanischen Totenbuchs und Die psychedelische Erfahrung.

(Die Transaktionsanalyse und die Spieltheorie in der Psychologie entstanden damals unter Mitwirkung Learys bzw. seiner psychologischen Konzepte.)

Einer der Besucher in Millbrook war zu dieser Zeit Robert Anton Wilson, Mitherausgeber des Fact Magazine und freier Mitarbeiter der Untergrundzeitschrift The Realist. Neben tiefgehenden und interessanten Gesprächen der beiden über Spieltheorie, Psychologie, der Einsteinschen und Quantenphysik, entwickelten die beiden eine langanhaltende freundschaftliche Korrespondenz, die gerade in den späteren Jahren der Inhaftierung Learys, beiden gleichermaßen einen inspirierenden Austausch bescherte.

(Robert Anton Wilson ist Autor halb-wissenschaftlicher Science Fiktion Werke wie Cosmic Trigger, Der neue Prometheus u.a., als auch der „Illuminatus!-Trilogie“.)

Leary erhielt zu dieser Zeit auch Besuch vom FDA (Federal Drug Administration), um die weiteren Aktivitäten von Leary abzuchecken. Unter der Regierung Johnsons verschärfte sich die Drogenpolitik, was in einem Verbot psychedelischer Drogen endete.

1964 Millbrook, Eine neue Beziehung

Leary lernt das New Yorker Zeitschriftenmodell Nanette kennen. Die beiden verlieben sich und gehen eine Wochenendbeziehung ein.

Weitere Gäste tauchen in Millbrook auf: Ken Kesey und die Pranksters. Von einer geistigen Inspiration bzw. Austausch kann man nicht gerade sprechen, dafür aber von wilden Partys. Leary und seine Freunde sind froh, als diese nach einigen Tagen abreisen. Der einzige Schluß, zu dem die Millbrooker Gruppe nach diesem Treffen kommt, ist es, weniger weltfremd zu werden. Millbrook ist zwar eine Ruheinsel und geistige Oase, lebt aber in gewisser Form an der Wirklichkeit der wilden 60iger vorbei. Man beschließt aus dem gemeinsamen Haushaltstopf die einzelnen Mitglieder mit einem PAN-AM Flugticket auf Weltreise zu schicke, um als Kundschafter und Bote neue Horizonte zu erschließen.

(Ken Kesey ist einer der Väter der Hippie-Szene und Autor des Szene-Klassikers Das bonbonfarbene, tangerinrot-gespritzte Stromlinienbaby. Der sich um ihn versammelnde Freundeskreis aus Los Angeles nannte sich bevorzugte „The Pranksters“.)

1964-1965 Japan – Indien – Tibet, Reisen zu neuen mystischen Horizonten

Ralph Metzner beginnt die Reise als erster und geht nach Indien. Im November beschließen Leary und Nanette dann zu heiraten und ihre Weltreise gemeinsam zu starten. Zuvor ruft Leary noch auf einem Symposium am Copper Union College-Auditorium und in einem Zeitschriften Interview die psychedelische Revolution aus. Seine Beiträge und das Schaltkreismodell wird begeistert aufgenommen.

Die erste Etappe ihrer Weltreise ist Japan. Die beiden nehmen an kulturellen und spirituellen Einflüssen mit was sie können, erleben Japan als Gegenkultur zum amerikanischen Individualisten Dasein aber als zutiefst fremdartig.

Die nächste Etappe ist Indien. Auch hier führt die Reise sie quer durchs Land. In Neu Delhi treffen die beiden Metzner. Dieser berichtetet den beiden von seinem dreimontigem Aufenthalt bei Lama Govinda. Zu dritt ziehen sie in ein angemietetes Ferienhaus am Holy Man Ridge, in der Nähe des Wohnsitzes von Lama Govinda, um dort die Wintermonate abzuwarten.

(Lama Anagarika Govinda ist ein zwischenzeitig verstorbener tibetisch-buddhistischer Philosoph und Gelehrter deutsche Abstammung.)

Metzner hatte bei seinen Treffen mit diesem auch eine gemeinsame LSD Sitzung erlebt, die Lama Govinda als eine für ihn sehr wichtige Begegnung mit den Inhalten seiner Religion empfand. Leary und Nanette werden während ihres Aufenthalts täglich vom Lama in buddhistischem Mystizismus unterwiesen. Leary und Nanette freunden sich eng mit dem Lama und seiner Frau an. Ein besonderer gemeinsamer Interessenschwerpunkt von Leary und dem Lama ist das Studium von Persönlichkeitstypen.

Der Ansicht des Lamas zufolge, entspringt die Macht orientalischer Religion aus der mündlichen Überlieferung. Anders als bei westlichen Suchenden, bei denen es mehr um das Erlernen technischer Fähigkeiten geht, wird der östliche Schüler durch die persönlichen Unterweisungen durch seinen Meister gefordert, gleichzeitig persönliche Weisheit zu erlangen. Obwohl Wissenschaft und Philosophie zwei Zweige desselben heiligen Gebiets seien, besteht in der westlich gelebten Wissenschaft die Gefahr, daß äußere Erkenntnis und inneres Wachstum nicht miteinander Schritt halten.

Besonderes Anliegen des Lamas war es, die Einheit zwischen äußeren Wissenschaft des Westens und des inneren Yoga des Ostens wiederherzustellen. Als weitere Lehrer dieses Anliegens in den letzten Jahrzehnten nannte Lama Govinda Krishnamurti, Ramakrishna, Gurdjieff und die theosophische Bewegung. Eine Fortführung dieses Plans bestand in der Übersetzung des tibetanischen Totenbuchs durch Evans-Wentz in Zusammenarbeit mit dem Lama. Learys Übertragung des Werks ins Psychedelisch-Amerikanische, wurde von der philosophischen Gemeinde Indien sehr interessiert verfolgt.

Lama Govinda benennt Leary als das voraussehbare Resultat einer über 50 Jahren währenden Strategie, eine große Transformation in diesem Jahrhundert durchzuführen. Learys frühe Begegnungen mit anderen Freidenkern sei kein Zufall gewesen, sondern Teil dieses Prozesses. Er beauftragt Leary mit der Mission, die bedeutenden Übereinstimmungen zwischen alten Persönlichkeits-Klassifizierungssystemen wie Tarot, I-Ging, Tierkreis, Göttersysteme, hinduistischen Kasten usw. hervorzuheben und zu verbreiten. Leary ist klar, daß dies einen Bruch mit seinem bisherigen Leben bringen würde. Betrachtet man sein weiteres Leben, scheint es nicht, als wenn er die Mission richtig angenommen hat.

Zu diesem Zeitpunkt geht auch sein Aufenthalt in Tibet zu Ende. Die Beziehung der beiden ist während des Auslandsaufenthalts immer schlechter geworden, so daß die beiden sich kurz nach ihrer Rückkehr in Millbrook (Juni 1965) scheiden lassen.

1965 Millbrook, Rückkehr und Überwürfnis mit Alpert

Als Leary im Sommer mit Metzner nach Millbrook zurückkehrt, hat sich das einst spirituell-philosophische Zentrum unter dem Einfluß von Alpert in eine ACID-Hochburg der Hedonie verwandelt. Bei einer gemeinsamen (letzten) LSD-Sitzung mit Alpert erfährt Leary auch die Möglichkeit einer negativen Neuprogrammierung. Das Verhältnis verschlechtert sich weiterhin, es kommt zum Bruch zwischen den beiden, worauf Alpert Millbrook verläßt, um nun seine „Eroberung“ der Welt anzutreten. Leary bleibt mit Metzner und Hollingshead sowie dessen Lebensgefährtin zurück.

Nachdem er von Mary Pinchots Tod erfährt, vertieft sich seine depressive Phase. Hollingshead bringt ihn auf die Idee, eine neue Aufgabe in der neurologischen Kunst zu finden. Nach der Theorie der acht Schaltkreise, können unterschiedliche Kunstausdrücke die jeweiligen Schaltkreise gezielt aktivieren. Die Funktion der Kunst besteht darin, im Gehirn des Betrachters die jeweils gewünschte Wirklichkeit zu aktivieren. Die drei planen daraufhin Studien, die auf den Einsatz von LSD bei der Neuprogrammierung gezielt verzichten. Sie nehmen dazu Kontakt zu New Yorkern Licht- und Klangkünstlern auf.

1965 Millbrook, Science Fiction, neurologische Kunst und eine neue Liebe

Gegen Ende des Sommers hat er seine depressive Phase überwunden. Er lernt seine „Traumfrau“ Rosemary Woodruff kennen. Sie entspricht so sehr seinem Geschmack, daß er anfangs sogar vermutet, sie wäre ein Spitzel des Geheimdienstes.

Mit Rosemarys Hilfe stellt Leary ein weiteres Buch, ein Gedichtband, der auf dem Tao te King basiert, fertig. Obwohl sie keinen Universitätsabschluß hat, ist sie lt. Leary der belesenste Mensch, den er kennt. Ihre Faszination für Science Fiction färbt auf Leary ab und beeinflußt seine gesamten späteren Werke und Gedanken. Für Leary galt bis zu diesem Zeitpunkt Yoga und orientalische Philosophie zu seinen Grundwerkzeugen, mit denen er sich zu dieser Zeit intensivst beschäftigte. Das neu hinzugekommene Interesse für Science Fiction erweiterte seinen Horizont erheblich weg von vergangenheitsweisenden religiösen Lehren hin zu Zukunftsvisionen, die seinen psychedelischen Erkenntnissen gerecht wurden. Eine von Rosemarys Ideen war es, menschliche Gehirne mit Computern zu verbinden und Rückkopplungen zu erzeugen.

Das neue Projekt in Millbrook läuft derweil auf Hochtouren. Sie organisieren mit zahlenden Privatkunden (75$ je Sitzung) Sessions, die einer frühen multimedialen Gehirnshow gleichkommen: farbige Wanddias, Stroboskope und vielfältige Klänge untermalen gemurmelte yogische Anweisungen und philosophische Gedichte, die die Teilnehmenden, teils unter Zuhilfenahme selbst mitgebrachter Drogen, in ihre spirituellen Tiefen führen.

Leider verstärkt sich die Beobachtung durch staatliche Organisationen. So ist auch bei den Session mindestens jeweils immer ein Geheimagent anwesend, der entweder vollkommen verwirrt oder mit einem spirituellen Overflow von seiner „Mission“ zurückkehrt. Zu den weniger amüsanten Beobachtern gehören Posten mit Ferngläsern auf dem Grundstück von Millbrook oder gar unangemeldete, in Postuniformen verkleidete Fremde, die angeblich elektrische Leitungen überprüfen wollen.

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14. Beginn der politischen Verfolgung

Als Alpert im Herbst aus Europa zurückkehrt, beschließen Leary, Hollingshead, Metzner und Alpert Millbrook aufzulösen. Alpert geht nach San Franzisko, um dort dann paradoxerweise eine Bekehrung zum Heiligen zu erfahren. Er wird unter dem Namen Ram Dass zum respektiertesten hinduistischen Swami Nordamerikas. Ralph Metzner geht nach New York, um dort ein Buch über Bewußtseinserweiterung zu schreiben. Michael Hollingshead wechselt nach England über, um dort die Botschaft der Gehirnveränderung mittels LSD weiter zu verbreiten, was ihm auch erfolgreich gelingt. Laut Learys Biographie hatte er dazu 200 Exemplare des Buchs Psychedelische Erfahrungen und 1000 Dosen LSD im Gepäck. Leary selbst beschließt mit Rosemary und seinen Kindern vorerst nach Mexiko zu gehen, um dort seine Geschichte niederzuschreiben und eventuell später wieder in die Staaten zurückzukehren, evtl. sogar wieder eine Professur anzunehmen. Erstmals nach dem Tod seiner ersten Frau, empfindet Leary wieder den Drang nach friedlicher familiärer Einheit, wozu die Chancen bestens zu stehen scheinen.

1965 Laredo (mexikan. Grenze), Die erste Verhaftung

Am 20.12.65 will Leary mit seinen Kindern und Rosemary mit dem PKW nach Mexiko einreisen. Er hat ein befristetes Touristenvisa. Bereits auf dem Grenzstreifen, die Staaten hinter sich gelassen, bekommt er Probleme mit der Einreise: Der Grenzbeamte möchte erst mit einer amerikanischen Dienststelle Rücksprache halten, die allerdings schon geschlossen hat und am nächsten Morgen erst wieder öffnet. Die vier müssen über Nacht in die Staaten zurückzukehren.

Von einer üblen Vorahnung erfaßt, weist er seine Kinder und Rosemary an, alles evtl. im Auto befindliche THC in der Toilette der mexikanischen Grenzstation verschwinden zu lassen. Etwas Marihuana in einer Silberdose von Rosemary verbleibt aber im Auto, da diese nicht an den Kofferraum herankommt, in welchem sich die Dose befindet. Im Auto nimmt Susan die Dose an sich.

Beim Überqueren des amerikanischen Zoll, wird der Wagen samt Insassen von den Zollbeamten durchsucht, obwohl Leary erst vor wenigen Minuten diesen überquert hat und auch darauf aufmerksam macht. Das Marihuana wird prompt bei Susan gefunden und alle vier verhaftet und im Gefängnis von Laredo inhaftiert. Leary nimmt die Verantwortung für das Marihuana auf sich. Aufgrund des Auffinden des Marihuanas vor der Leibesvisite von Susan, vermutet Leary sogar, daß das Marihuana untergeschoben wurde.

Gegen ein Kaution von 100.000 $ kommen alle vier am nächsten Morgen vorerst frei und kehren nach New York zurück. Ihr Anwalt ist, was Rosemary und Jack betrifft, optimistisch. Susan würde wahrscheinlich aufgrund ihres Alters mit Bewährung davonkommen. Leary könnte man aber endlich etwas anhängen. Sein Anwalt rät ihm die Wahrheit zu sagen, daß das Marihuana (in einem Wert von 10 $) nicht sein Besitz war, da die Chancen für Rosemary und seine Tochter sehr gut ständen unbeschadet davon zu kommen.

Typisch für Learys Dickköpfigkeit, kann und will dieser nicht einsehen, daß man ihm etwas wegen einer verfassungswidrigen Steuervorschrift (Rauschgiftschmuggel, -transport und Steuerhinterziehung) anhängen will. Er läßt es auf einen Prozeß und eine evtl. Verurteilung ankommen, unterschätzt aber das Risiko vollkommen. Wenn er den Prozeß verliert, kann er mit

20 Jahren wegen Schmuggels, von denen mind. 5 abgesessen werden müssen
weiteren 20 Jahren für den Transport
und dann noch bis zu 10 Jahren für Steuerhinterziehung

rechnen. Insgesamt also bis zu 50 Jahren zuzüglich 50.000 $ Bußgeld rechnen. Der Anwalt hat ihn gewarnt, daß man an ihm ein Exempel statuieren wolle. Er hingegen fühlt sich nicht schuldig und will nun für seine Grundrecht eines freien Zugang zum eigenen Körper und Gehirn den Kampf gewinnen, koste es was es wolle. Später bedauerte er seine Naivität, sah die darauf folgende Zeit aber auch als einen sehr wichtigen Abschnitt seiner persönlichen Entwicklung an …..

1966 Millbrook, Verurteilung im Laredo-Prozess und weitere Razzien

Im April wird Susan rechtskräftig zu den vorhergesagten 5 Jahren auf Bewährung verurteilt. Leary setzt in seiner Verteidigung auf seinen Status als praktizierender Drogenwissenschaftler sowie auf das Recht der Ausübung der Religionsfreiheit (praktizierter Hinduismus, religiöser Gebrauch von Drogen). Aber auch Empfehlungsschreiben von ihm wohlgesinnten Theologen und Wissenschaftlern, können die Verurteilung nicht abwenden. Er wird zu 33 Jahren Haft verurteilt.

Bis zum Antritt seiner Strafe, geht das Leben in Millbrook weitgehend gewohnten Wege. Ein Timothy Leary Verteidigungsfonds wird eingerichtet. Leary erhält von vielen Seiten moralisch und finanzielle Unterstützung, die er bei den hohen Rechtskosten auch dringend braucht.

Das nächste Sommerlager wird geplant. Noch einmal wird Millbrook von einer (stümperhaften) Razzia heimgesucht. Behörendennahe Sympathisanten warnen aber vor, so daß die Razzia auf eine vorbereitete Gruppe in Partystimmung trifft, die sich nichts Schöneres vorstellen kann, als die Widersacher ironisch hochzunehmen und auf bewußt falsch gelegte (Drogen-)Fährten zu setzen. Die Razzia scheitert, bringt aber den restlichen Bewohnern weitere Tyranneien ein, wo es den Behörden nur möglich ist. Beispielsweise wird Jack Leary bei Verlassen des Privatgrundstücks wegen Herumtreiberei für eine Nacht eingesperrt, wo man ihm die die langen Haare kurz stutzt; Rosemary wird wegen angeblicher Zeugenaussagenverweigerung für einen Monat ohne Besuch ins Gefängnis gesperrt usw.

Während Learys Rechtsberater auf eine immer wahrscheinlicher werdende Revision des Marihuana-Gesetzes von 1927 (Marihuana galt als Betäubungsmittel) hinarbeiten und hoffen, entbrennt die Drogenkontroverse in der Politik immer mehr. Leary versucht durch objektive Artikel, Interviews und Öffentlichkeitsarbeit Front für die Akzeptanz zu schaffen, steht aber vor dem Problem einer sich selbstverwirklichenden Propagandaspirale rechter Politiker und Justizbeamter:

Die Übermacht dieser schafft mit Anti-LSD-Geschichten, die sich fast alle später als Enten herausstellen, das Bild eines Horrortrips, der in Schizophrenie und anderen Geisteskrankheiten endet. Während beispielsweise 10% aller Alkoholkonsumenten alkoholabhängig sind, verläuft tatsächlich nur jeder 1000ste LSD Trip negativ – kein Trip aber, ruft solche gesundheitlichen und psychosozialen Schäden hervor, wie Alkoholkonsum. Das einmal negativ geprägte Bild von LSD in der Gesellschaft führt dann aber wiederum zu einer unbewußt angstvoll-hysterischen Erwartungshaltung unter den Erstkonsumenten, die dann auch noch ohne ausreichende mentale Vorbereitung (siehe Set und Setting Theorie) oft in einem negativen Erlebnis endet und Raum für eine neue Horrorstory schafft.

1966 Millbrook, Eine neue Marketingstrategie: Das Leary-Lächeln

Leary trifft zu diesem Zeitpunkt Marshall McLuhan, der ihm eine wichtige Strategie vermittelt: Leary solle seinen Aufstand nicht als Kampf gegen das Regime verstehen, sondern als eine Marketingstrategie FÜR die positiven Inhalte, die der LSD-Gebrauch bewirkt. Wichtig sei auch sein persönliches Image: Lächeln, lächeln und nochmals lächeln – und niemals selber am Ziel zweifeln. Nicht kurzfristige Ziele gelte es zu erreichen, sondern eine langfristige Evolution des Bewußtseins. McLuhan ging davon aus, daß mit der zunehmenden Computerisierung auch die breite Masse für ein neues Bewußtsein offen werden würde.

(M. McLuhan: Zukunftsweisender kanad. Philosoph, Schriftsteller und Prof. an der Universität Toronto, der sich bereits sehr früh mit den Auswirkungen des multimedialen und virtuellen Zeitalters beschäftigte.)

Die Botschaft des positiven Denkens wird später im typischen buddha-ähnlichen Leary-Lächeln bekannt und verhalf diesem sicherlich nicht nur zu einer positiven PR sondern baute ihn in den kommenden Jahren auch immer wieder selbst auf.

Auf die Ratschläge von McLuhan hin, entwickelte Leary seinen PR-Slogan Turn on, Tune in, Drop out (Törn an, Mach mit, Steig aus). Turn on bedeutet dabei nach innen zu gehen und sich neural und genetisch zu aktivieren. Tune in steht dafür, harmonisch mit der Umwelt zu interagieren und die neu gewonnenen Einsichten zu verwirklichen. Drop out ist dann der aktive, selektive Prozeß des sich Trennens von unbewußten oder unfreiwilligen Verpflichtungen.

Will man ein Leben des Wachstums und der Entwicklung leben, ist es notwendig diesen Prozeß ständig zu wiederholen. Dies betonte Leary besonders bei seinen öffentlichen Statements. Leider wurde der Slogan im Sinne von „Knall dich zu und gebe jede konstruktive Handlungsweise auf“ oft falsch interpretiert, sei es aus politischer Gegenwehr oder Unbewußtheit eines vermeintlichen Leary-Anhängers.

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15. Das dritte Sommerlager und die Entdeckung multimedialer Kunst

Im Sommerlager 1966 selbst finden aus Sicherheitsgründen keine offiziellen Drogensitzungen mehr statt. Der Schwerpunkt liegt statt dessen auf Multimedialität (psychedelische Dias, Klangexperimenten, auditive Collagen usw.). Zum Abschluß des Lagers wird ein magisches Theater mit Szenen aus Hermann Hesses Steppenwolf aufgeführt.

Der Erfolg ist so groß, daß Leary im Herbst mit seinem „Stammensemble“ vom Produzenten David Balding nach New York eingeladen wird, um dort multimediale Inszenierungen religiöser, wissenschaftlicher und philosophischer Mythen aufzuführen. Zusammen mit professionellen Spezialeffekt-Künstlern werden die Aufführungen zu einem großen Erfolg, der auch internationale Presse macht. Es kommt sogar der Vorschlag, Leary zum besten Off-Broadway-Schauspieler des Jahres zu küren.

Um die Inhalte der öffentlichen Auftritte in puncto LSD weiter positiv zu belegen, gründen Leary und Freunde eine neue Religion mit dem Namen „League for Spiritual Discovery“.

1966, Psychedelische Kunst auf US-Tournee

Bei der Aufführung des Stücks The Resurrection of Christ wäre Leary dann beinahe noch einer weiteren Intrige zum Opfer gefallen: Hauptdarsteller des Stücks ist der junge Rusty, ein sich verdient gemachte Anhänger Learys, in der Rolle des Christus am Opferkreuz, der dann vom bewußtseinserweiternden Verführer, gespielt durch Leary, überzeugt wird, daß es wertvolleres gibt als dem Opfer-Wahnsinn zu verfallen. Rusty wird von der Polizei erpreßt, Leary Drogen unterzuschieben. Da er Leary inzwischen verehrt, kann er es nicht über sich bringen und gesteht alles. Der Plan, während einer Autofahrt bei einer „Routinekontrolle“ der Polizei belastendes Material auf den Fahrzeugboden fallen zu lassen, wird vereitelt, und Rusty mit ausreichend finanzieller Unterstützung von Leary und Rosemary in Sicherheit nach San Franzisco verfrachtet.

Die Erfolgswelle in New York führt zu einer Theatertournee durch die Staaten, die von Leary ausgiebig für die Propagierung seines Slogans Turn on, Tune in, Drop out genutzt wird. In San Franzisco wird das erste Love-In im Golden Gate Park veranstaltet, eine Massenveranstaltung die die Hochzeit der Hippiekultur repräsentiert. Auch Leary ist anwesend und ist auf die Bühne als Moderator / Unterhalter geladen. Ihm ist der Showkult aber zuwider und distanziert sich.

Von dem Organisator des Festivals, Michael Bowen, wird ihm vorgeschlagen sein Öffentlichkeitsarbeitsproblem zu beheben, indem er einfach seiner Religion Millionen von Angehörigen verschafft. Er bräuchte nur dazu aufzurufen, durch das Versenden einer Postkarte an Leary die Aufnahme in die religiöse Gemeinschaft zu beantragen. Leary wäre dann als geistiges Oberhaupt einer Gemeinschaft, mit mehr als 1 Millionen Mitgliedern, in einer schier unantastbaren Situation. Leary ist aber auch mit der ihm zugedachten Rolle eines „Papstes“ wegen seiner Abneigung von Massenkulten nicht glücklich und weist den Vorschlag von sich.

Zurück in Millbrook beginnt er wieder Vorlesungen an Universitäten zu geben sowie ein kleines Buch zu schreiben, Start Your Own Religion, welches die psychologischen und spirituellen Schritte beschreibt, die in der Sakramentierung des eigenen Lebens involviert sind.

1967 Kalifornien, In der Lehre eines Medien-Gurus

Eine weitere wichtige Begegnung formt zu diesem Zeitpunkt Learys Gedankengut: Er begegnet dem Filmregisseur Otto Preminger, mit dem er bei Preminger zuhause in San Franzisco eine LSD-Sitzung durchführt.

Entgegen den Leary bekannten Setting-Atmosphären (wissenschaftlich-sinnlich-mystisch), ist die Umgebung in diesem Fall kalt und realitätsnah. Preminger schaltet fasziniert von der neuen Erfahrung den (später mehrere) Fernseher ein und versetzt Leary damit einen geistigen K.O.-Schlag, der aber inspirierende Wirkung hat: Er erkennt, daß die großen Schöpfer der Menschheit diejenigen gewesen sind, die es schafften, ihre Version der Wirklichkeit den anderen aufzuzwingen. Die nächste Stufe der Evolution ist die Involvierung des bevorstehenden Informations- und Kommunikationszeitalters – nicht nur in der äußeren Gesellschaft, sondern auch im Umgang Learys mit den Drogen.

Er beschließt nach Hollywood zu gehen, um zu lernen, wie Wirklichkeiten geschaffen und inszeniert werden.

1967 Kalifornien, Schamanistische Hochzeit mit Rosemary

Im Herbst ziehen Leary und Rosemary an die Pazifikküste und heiraten nach einem schamanistischen Ritual im Joshua-Tree Nationalpark unter freiem Himmel. Der zeremonieleitende alte indianische Schamane erlebt seinen ersten LSD-Trip, der ihn so (positiv) mitnimmt, daß die Trauung sich um einige Stunden verschiebt.

Die gegen ihn laufenden Verfahren sind immer noch in der Revisionsphase, er selbst auf Kaution frei. Politisch scheint sich das Blatt positiv zu wenden, da Bobby Kennedy, als alter liberaler Verbündeter von Leary nach einer Niederlage von Präsident Johnson, politisch Aufschwung erhält. 2 Monate nachdem Martin Luther King in Memphis ermordet wird, fällt Bobby Kennedy am Vorabend seines Sieges bei den kalifornischen Vorwahlen einem Attentat zum Opfer. Ein Wahlsieg Nixons, der für Learys Politik der Ekstase das Aus bedeuten würde, rückt damit wieder näher.

In Kalifornien nimmt John Griggs zu ihm Kontakt auf. Er hat nach der Lektüre von Start Your Own Religion die Brotherhood of Ethernal Love gegründet. Neben der spirituellen Verbundenheit der Mitglieder zeichnete sich die Organisation besonders für ihre Weltgewandtheit in irdischen Dingen aus. Der Bruderschaft unterstehende gemeinnützige Vereine wie Mystic Arts World handelte mit allem, was die Drogen-/Hippiekultur an Bedürfnissen entwickelte – auch mit Marihuana, was natürlich nicht offiziell war. Der organisierte Anbau und Handel war finanziell so ertragreich, daß das „Bruttograsprodukt“ zu den drei größten des Landes gezählt wurde, direkt hinter General Motors und Exxon. Leary nannte die damaligen Dealer noch Idealisten, die mehr wegen der Überzeugung als wegen dem Profit die Ware vertrieben. Von gefährlichen und suchterregenden Drogen ließ die Bruderschaft die Finger. Kern der Bruderschaft waren ca. 20 junge Männer und Frauen, die Leary später noch gute Dienste leisteten.

Um dem Licht der Öffentlichkeit nicht ganz so sehr ausgeliefert zu sein, ziehen die Bruderschaft, Leary und Rosemary gemeinsam auf eine erworbene Ranch in den Jacinto-Bergen oberhalb von Palm Springs.

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16. Politische Wende und die Folgen

1968 Kalifornien, Verhaftung wegen 2 untergeschobenen Joint-Kippen

Um Weihnachten 1968 gewinnt Nixon die Wahl. Wenige Tage später erhalten Leary, Rosemary und Jack Besuch von Polizisten. Diese filzen den Wagen der drei. Die Tatsache, daß sie nicht belastendes finden, stört diese aber nicht. Vorsorglich hat der für Unterschiebungen bekannte leitende Beamte zwei Jointkippen mitgebracht, die er dann im Aschenbecher „findet“. Leary wird erneut verhaftet. Ihm drohen allein für dieses „Vergehen“ 6 Monate bis 10 Jahre weitere Haft. Die Bruderschaft stellt innerhalb einer Stunde eine Kaution zur Verfügung, so daß Leary vorübergehend wieder auf freien Fuß kommt.

1969 Kalifornien, Freispruch im Laredo-Prozess und politisches Engagement

Im Sommer erhält Leary endlich das Urteil des Obersten Gerichtshof zum Laredo-Prozess: Das Marihuana Steuergesetz ist wie gehofft für verfassungswidrig erklärt worden, Leary dementsprechend nun freigesprochen.

Zu diesem Zeitpunkt ist er politisch immer engagierter und bereits zu einem Mythos geworden. Wo er auftritt gibt es Massenaufläufe und heiße Debatten. Wohl ermutigt durch das Urteil, zieht es ihn nun selbst zu einer politischen Aufgabe, um das veraltete Regime im neu begonnenen Informationszeitalter abzulösen – dies nicht nur in puncto Bewußtseinserweiterung, sondern auch was grundlegende Staatstrukturen betrifft, die in ihrer jetzigen Form auf die Bedürfnisse von vor hundert Jahren zugeschnitten sind – beispielsweise nach dem Territorialdenken ausgerichtet sind, anstatt globale Interessen in den Mittelpunkt zu stellen. Abgeordnete hält er für überholt, denn durch das neue Medium Computer eröffnen sich die Möglichkeit einer direkten Einflußnahme des Einzelnen auf die Politik.

Er bewirbt sich um das Amt des Gouverneurs von Kalifornien. Sein politisches Programm beinhaltet u.a. folgende Punkte:

Abschaffung sämtlicher Steuern, die einzelne Interessengruppen (Lobbys) bevorteiligen
Abschaffung von Subventionen i.o.g. Sinne
Dezentralisierung und mehr lokale Autonomie
öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Universitäten, Gefängnisse usw. in marktwirtschaftlich, kostendeckende Unternehmen zu wandeln
direkte elektronische Abstimmungen der Bevölkerung, die gewählte Abgeordnete ersetzen

Seine politischen Ambitionen lassen ihn in keiner Form konservativer werden: Bei öffentlichen Auftritten ist er nach wie vor mit Zopf, Schlabberhosen und unbeschuht anzutreffen. Seine Medienkampagne läuft mit direkter praktischer Unterstützung von Leuten wie Jimmy Hendrix, John Lennon und Yoko Ono, Bob Dylan, Allen Ginsberg u.a.

(Das Lennon Stück „Come together“ ist aus der Wahlkampagne für das Gouverneursamt entstanden.)

Beim Regisseur Preminger erlerntes Wissen wendet er nun an: Er plant einen Dokumentarfilm für seine Kampagne in Kalifornien, der vor der Wahl ausgestrahlt werden soll, aber der den Wahlsieg Learys vorwegnimmt: Menschen, die für ihn gestimmt haben, sollen gezeigt werden und erzählen, wodurch sie von ihm überzeugt wurden, sowie die Feiern auf den Straßen zum Wahlsieg.

Dann erfolgt ein Rückschlag in den noch laufenden Verfahren gegen ihn. Sein Anwalt teilt ihm mit, daß die lokalen Behörden ihn im Laredo-Fall aufgrund einer Formalität neu angeklagt haben, diesmal wegen dem Delikt des Rauschgifttransports. Dies kann ihm ohne weiteres 20 Jahre Gefängnis sowie eine hohe Geldstrafe einbringen. Die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Freispruchs vor dem obersten Gerichtshof sei zwar gegeben, könnte aber bis zu 2 Jahren dauern, die er erstmal einsitzen müsse. Leary müsse mit dem persönlichen Engagement Nixons gegen ihn rechnen, den dieser hat Leary als den Staatsfeind No. 1 ausgemacht. Die einzige Chance scheint noch in dem Unantastbarkeitsstatus einer Politikers zu liegen, der in der Sympathie der Bevölkerung steht.

(Nixon bezeichnete seinerzeit Leary tatsächlich in einer öffentlichen Rede als den „gefährlichsten Menschen der Welt“)

Zeitgleich mit diesen Ereignissen liegt Woodstock. Leary nimmt ebenfalls teil, stellt aber fest, daß keiner der Akteure seiner Altersklasse mehr zugehörig ist. Der Genpool hat seine Führer und Vertreter überholt. Die friedlichen Elemente der Hippiekultur sind bereits zu weiten Teilen von Alkoholexzessen und Gewaltbereitschaft überlagert.

Ein weiteres tragisches Ereignis überschattet das Jahr: Learys Freund John Griggs, der mit ihm auf der Ranch in den Bergen lebt, stirbt an einer Dosis mit Strychnin verunreinigtem Psilocybin.

1969 Kalifornien, Verurteilung im Laredo-Prozess

Im Dezember steht Leary dann erneut wegen dem Laredo Fall vor Gericht. Er wird innerhalb von Minuten für schuldig befunden, geht aber wieder in die Berufung.

Der offensichtliche Terror gegen ihn nimmt zu: Als er auf die Ranch zurück kommt, findet er sein Haus niedergebrannt. Seine Hunde verschwinden unter seltsamen Umständen. In der Regenbogenpresse wird offene Politik gegen LSD gemacht: Die schlimmsten Verbrechen wie Familienmord usw. werden fiktiv LSD-Usern angehängt.

1970 Orange County, Verurteilung wg. 2 Jointkippen (Leary ist 49 Jahre alt)

Drei Wochen später steht er dann wegen den untergeschobenen Jointkippen in Orange County vor einem Geschworenen Gericht. Die Situation ist für Leary hier verzwickt: Wird er freigesprochen, wird dadurch automatisch Rosemary und sein Sohn Jack belastet. Hält er sich in seiner Verteidigung zurück, drohen ihm nicht nur in diesem Fall 10 Jahre Gefängnis, sondern wahrscheinlich auch die Verurteilung in den anderen Verfahren.

Die Geschworenen verurteilen alle drei Angeklagten des Besitz von Drogen. Rosemary und Jack bekommen Bewährung, Leary die Höchststrafe von 10 Jahren für diesen alleinigen Vorfall. Verfassungswidrig wird er sofort, ohne die Möglichkeit einer Kaution, inhaftiert und 5 Wochen lang in Einzelhaft ins Distriktgefängnis von Orange County gesperrt.

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17. Inhaftierung (Teil I) und Flucht

Die anschließende Überführung ins Staatsgefängnis von Chino ist wie Urlaub im Vergleich zur Haft in Orange County, stellt aber nur eine Zwischenstation dar, in welcher die Gefangenen nach psychologischen Tests und Gutachten für den langfristigen Aufenthalt anderen Staatsgefängnissen zugeordnet werden. Auch Leary wird dem psychologischen Test unterzogen, wobei eine delikate Situation eintritt: Das Klassifizierungsverfahren (Intelligenz- und Eignungstest) beruht auf Test, die Leary selbst entwickelt hat. Dies ist den Prüfern auch bekannt, kann aber aufgrund der Vorschriften nicht umgangen werden.

Leary füllt den Test mit Freude und Zielsicherheit aus: In dem vom ihm auch so erwarteten Ergebnis ergibt der Test, daß Leary durchschnittlich intelligent, angepaßt, wenig impulsiv und folgsam ist. Sein Eignungstest deutet auf besondere Fähigkeiten bei der Wald- und Forstarbeit hin, in keinem Fall aber für Kompetenzen in verwaltungstechnischen oder planerischen Aufgaben. Er rechnet mit einer Zuweisung für eine offene Vollzugsanstalt, von welcher aus er seine Fluchtpläne realisieren kann.

Der Plan geht auf: Er kommt in die offene Männeranstalt Kalifornien West in San Luis Obispo, mir nur viereinhalb Meter hohen Stacheldrahtzäunen und mit Scharfschützen bemannten Streifenwagen. Obwohl die Anstalt einen für ein Gefängnis recht humanen Eindruck macht, wenig Gewaltpotential beherbergt, gilt sie als Endstation für alternde lebenslänglich Verurteilte („Rentnerdorf“). Das psychologische Klima ist dementsprechend deprimierend. Während Leary alle Möglichkeiten der körperlichen Ertüchtigung nutzt, informiert er sich in Gesprächen mit langjährigen Insassen über Fluchtmöglichkeiten, wobei keine praktischen Erfahrungswerte bekannt sind.

Während Rosemary zusammen mit der Bruderschaft der Ewigen Liebe die Flucht von außen organisiert, entscheidet Leary sich für einen Fluchtweg über ein unbeleuchtetes Telefonhängekabel, welches vom zweiten Stock eines Zellentrakts zu einem Telefonmast außerhalb des Geländes führt. Rosemary holt ihn dann an einer entfernten Stelle an einer Landstraße ab, bringt ihn zu einem Zwischenversteck, daß die Bruderschaft organisiert hat, um dann von „professionellen Fluchthelfern“ außer Landes gebracht zu werden. Die Flucht wird durch zahlreiche Spenden seiner Gesinnungsgenossen finanziert. Zielort ist ein Dritte Welt Land, in welchem in politisches Asyl gewährt werden würde.

Als Zeitpunkt ist ein Tag mit dichtem Herbstnebel geplant, so daß Leary noch einige Monate ausharren muß. Rosemary engagiert sich sehr für Leary, da sie sich in seiner Schuld fühlt. Ihre Verbindung zu Leary ist 100%ig loyal, aber die beiden vereinbaren, daß sie sich in der Fluchtvorbereitungsphase öffentlich von Leary distanziert und sich scheiden läßt, damit alle Aufmerksamkeit von einer eventuellen Mithilfe bzw. der Fluchtvorbereitung abgelenkt wird. In der Zwischenzeit löst sie wie vereinbart die komplette Habe der beiden auf und bringt alle persönlichen Aufzeichnungen, Akten und Archive von Leary in Sicherheit. Es bietet sich an, die Hinterlassenschaft von Michael Horowitz in der Fitz Ludlow Memorial Library verwalten zu lassen, der sich zu diesem Zeitpunkt an Rosemary wandte, um die größte Büchersammlung der Welt über psychoaktive Drogen zusammenzutragen.

1970 San Luis Obispo, Fluchthilfe durch die Weatherman

Am 12. September 1970, einem nebeligen Herbsttag, ist es dann soweit. Der Plan ist minutiös ausgearbeitet und kommt innerhalb der Anstalt ohne Helfer aus. Leary legt am Abend seiner Flucht noch ein Tarot zur Aktion.

Die Flucht gelingt ohne Zwischenfälle, allerdings wird er nicht von Rosemary, sondern zwei Jugendlichen eingesammelt. Organisiert und durchgeführt wird seine Flucht von den Weatherman Underground. Insgesamt viermal wechselt in der Nacht das Fluchtfahrzeug und die Besatzung; er wechselt Kleidung, Identität und Haarfarbe innerhalb nur weniger Stunden. Die Flucht selbst dauert zwei Tage mit Stops in einem Campingwagen und einem Zeltlagern in den Bergen. Vorläufige Zwischenstation ist ein einsames Bauernhaus in der Nähe von Seattle, wo er Rosemary trifft.

(Weathermen Underground: Terroristische Untergrundbewegung, der besonders dem FBI stark zu schaffen machte. Mitglieder und Köpfe der Gruppe konnten nie definitiv ausgemacht werden. Vermutet wird aber, daß es sich um junge Menschen gebildeter und regierungsnaher Familienabstammung handelt, die der totalitären rechten Politik der späten 60iger entgegen standen.)

Das Problem ihn außer Landes zu bringen, haben die Weatherman ebenfalls gelöst: Leary erhält eine Halbglatze verpaßt, die Identität eine Geschäftsmannes und einen echten eintägigen Paß, den er mittels eines falschen Führerscheins erwirkt hat. In Chicago nimmt er dann eine Maschine nach Paris, um dann weiter nach Algerien zu fliehen und dort für eine längere Zeit bei Eldrigde Cleaver unterzutauchen.

(Cleaver ist das in Algerien mittels politischem Asyl untergetauchte Oberhaupt der gewaltnahen, schwarzen Unabhängigkeitsbewegung Black Panther. In der Weltmeinung, wurde er allerdings als das Bild eines charismatischen, liberalen, linken jungen Negers angesehen.)

Für die Weatherman ist die Fluchthilfe eine politische Aktion gegen das Regime, zu der sie sich öffentlich bekennt. Die Medienberichte benutzen sie, um ihre politischen Ziele verkünden zu können.

1970 Paris, Zwischenstation bei einem Freund

In Paris stellt sich dann ein Problem ganz neuer Art: Leary und Rosemary finden in der touristenbesetzten Stadt kein Hotelzimmer. Leary erinnert sich aber an den französischen Psychiater Pierre Bensoussan, zu dem er längere Zeit in Briefkontakt stand und der mit Learys Einstellungen sympathisiert. Rosemary stellt den ersten Kontakt her und klärt ab, ob Bensoussan bereit ist Leary Unterschlupf zu bieten. Dieser ist sogar begeistert und bietet Leary die Unterbringung in seinem Ferienhaus an der Grenze zur Schweiz an. Bei einer eventuellen Gefahr, könne Leary sich dann innerhalb von Minuten in die Schweiz in Sicherheit bringen.

Obwohl Leary das Angebot sehr zu schätzen weiß, ist er ausgesprochen neugierig auf Eldridge Cleaver, der in Algerien auf ihn wartet und sieht sich auch in einer Verbindlichkeit gegenüber den Weatherman, die dieses Fluchtziel für ihn festlegten. Zudem verspricht er sich von einer Zusammenarbeit mit Cleaver, seine politischen Ziele gegen die konservative Regierung der USA besser verwirklichen zu können. Das dies ein ganz großer Fehler ist, ahnt er zu diesem Zeitpunkt nicht.

Bensoussan der einige in Paris lebende Exilanten und deren irrationalen Drang, vom Exil politisch Einfluß nehmen zu wollen, kennt, weiß um die Aussichtslosigkeit des Vorhabens und versucht Leary davon abzuhalten. Leary nimmt seinen Rat allerdings nicht an, nimmt sich aber vor, seinen Aufenthalt in Algier kurz zu halten.

(Bensoussan war derzeit ein hoher Beamter der Drogenbehörde der Vereinten Nationen, stand politisch aber 100% hinter Leary. Seine Verbindungen zu regierungsnahen Kreisen stellte eher einen Sicherheitsfaktor als ein Risiko dar.)

1970 Algerien, Eldridge Cleaver und den Black Panthers

In Algier gelandet, machen Rosemary und Leary sich auf den Weg die Black Panthers zu finden. In einem so korrupten und terroristisch orientierten islamischen Land wie Algerien es, stellt sich dies allerdings nicht einfach dar. Nach einigen Bestechungsangeboten klappt es dann aber doch noch.

Die Black Panther, die sich als amerikanische Befreiungsfront im Exil verkaufen, bestehen im wesentlichen aus vier alternden Jugendlichen, die aus einem einfachen, kriminellen Milieu stammen. Eldridge selbst ist ein größenwahnsinniger und kontrollsüchtiger Irrer, der seine Leute durch die Verleihung von Titeln, Orden, Uniformen und großen Sprüchen bei Laune hält.

Bereits beim ersten Gespräch stellt sich peinlich heraus, daß die Zielsetzung Learys, seine Revolte des Friedens für ein liberales Amerika, nicht ganz zu den Parolen Eldridges (Bewaffnete Revolution!) paßt. Allerdings sind die beiden keine gleichberechtigten Partner: Leary ist auf das Wohlwollen Eldridges angewiesen, da dieser sich im Filz der algerischen Bürokratie auskennt und die entsprechenden Verbindungen hat, die Leary braucht um als politischer Flüchtling anerkannt zu werden.

Eldridge verschafft Leary innerhalb weniger Tage politisches Asyl, indem er ihn als „bekannten afroamerikanischen(!), vom Nixon-Regime wegen seiner Kriegsgegnerschaft und pro-arabischen Einstellung verfolgter Psychologe“ verkauft. Leary empfindet dieses im offenen Widerspruch zu seinen Einstellungen stehende Zeugnis eher bedrohlich als sicherheitsgebend.

Anfangs werden Leary von Eldridge noch Freiheiten gewährt. Die beiden wohnen separat und stehen nur in losem Kontakt zu Eldridge. Leary und Rosemary werden in Algier von der gehobeneren und gebildeten Schicht begeistert als saisonale Attraktion aufgenommen. Eldridge und seine Komparsen selbst hingegen, werden von der algerischen Exil-Elite ihres Gebarens wegen als pathetischer Witz aufgenommen.

Für Eldridge in seinem Machtwahn bedeutet dies, daß er den Strick um Learys Hals langsam enger ziehen muß: Erst leicht tyrannisierend beginnt er den beiden hinterher zu spionieren, die Wohnung durchsuchen zu lassen, die Post abzufangen. Der nächste Schritt besteht in Androhungen, daß unloyale Mitglieder liquidiert werden. Er unterstellt den beiden eine Agententätigkeit für das FBI, entführt beide letztendlich und nimmt ihnen die Pässe und damit das Selbstbestimmungsrecht weg, mit Androhung der Auslieferung als Drogendealer an die algerische Polizei. Auf Eldridges Anwesen mehr oder weniger arrestiert, versucht dieser die beiden mit Hausarbeit in den Sklavenstatus zu erniedrigen. Leary verliert dabei aber nicht sein Überlegenheitsgefühl, da er sieht, daß Eldridge ein ganz persönliches Problem hat: einen Komplex wegen seiner Hautfarbe.

Leary und Rosemary sitzen in einer üblen Situation, da sie ohne die Pässe keine Chance haben das Land wieder zu verlassen. Öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen könnte sich ebenfalls eher als Gefahr auswirken. Da Leary Eldridge auch auf eine ganz andere Art beweisen will, daß man einen intelligenten und bewußten Menschen auf so primitive Weise nicht versklaven kann („man kann auch weniger als 300 Jahre brauchen, um der Sklaverei zu entkommen“), trickst er die Bande einfach aus:

In einem Moment, wo Eldridges Aufmerksamkeit gerade anderweitigen Angelegenheiten gilt (Streit mit einem rivalisierenden anderen schwarzen Führer), läßt er sich vom engsten Vertrauten Eldridges unter dem Vorwand eine größere Überweisung von der Bank holen zu müssen, die Pässe raufgehen (Eldridge nahm die beiden zusätzlich aus).

Die beiden sind ihm damit erst mal entkommen, allerdings den korrupten Strukturen Algeriens noch nicht. Die Flucht aus Eldridges Gewahrsam ist der Geheimpolizei nicht unbemerkt geblieben, so daß Leary nun zwar indirekt Schutz von dieser gegen Eldridge erhält, andererseits aber von „Regierungsbeamten“ gebeten wird, doch dem „algerischen Erziehungsministerium dabei behilflich zu sein, vom algerischen System auf das amerikanische Ausbildungssystem umzustellen“.

In den folgenden Wochen versuchen Geheimdienstagenten ihn über politische Hintergründe auszufragen. Leider weiß Leary wirklich nicht viel mehr, als die Boulevardpresse auch hergeben würde. Er ist schließlich wegen seiner Drogenbefürwortung, nicht aufgrund politischen Insiderwissen im Exil. Man erkennt dann doch noch von allein seinen wahren Wert, und versucht ihn für Tätigkeiten im Bereich Gerhirnwäsche und Gehirnkontrolle für staatliche Zwecke zu gewinnen. Dies ist für ihn das Zeichen, endgültig aus Algerien verschwinden zu wollen.

Er lernt einen liberalen CIA-Agenten kennen, der ihm behilflich ist und ihm den Tip gibt, wie er das Land verlassen kann: 1. Ein aufnahmebereites Einreiseland zu finden, daß ihm Asyl gibt 2. Die algerische Regierung zu überzeugen ihn ausreisen zu lassen, da das Asyl gewährende Land dem Asylanten gegenüber berechtigt ist, den Aufenthaltsort zu bestimmen. Dieser will ihm auch Ausreisevisa besorgen. Leary hat derweil Dänemark als aufnahmebereites Land aufgetan, in welches er unter dem Vorwand eine Konferenz zu besuchen, ausreisen möchte.

Am Abflugtag werden die beiden dann in der letzten Minute vom Zoll mit der Begründung zurückgehalten, keine Ausreisegenehmigung zu haben, obwohl der CIA Agent ihnen dies zugesichert hatte. Leary merkt, daß dieser ihn versucht hat reinzulegen. Er nimmt daraufhin Kontakt mit einem ihm nun schon etwas länger bekannten Beamten der algerischen Einwanderungsbehörde auf, der ihm zusichert, daß er jederzeit von staatlicher Stelle her ausreisen dürfe, daß er ihm aber davon abrate. Leary vermutet inzwischen hinter jedem Rat eine Falle. Er nimmt mit Rosemary den nächsten Flug nach Dänemark mit Zwischenstop in Genf.

1971 Genf, Unterschlupf beim Waffenhändler Hauchard

Beim Zwischenstop in Genf erhalten sie die Nachricht von Bensoussan, daß in Dänemark CIA Beamte zur Verhaftung Leary bereitstehen würden. Sie beschließen daher in der Schweiz unterzutauchen. Bensoussan hat ihnen Unterschlupf bei einem reichen Waffenhändler in Lausanne, Michel Hauchard, besorgt. Dieser erweist sich als galanter Gastgeber und Inhaber bester Kontakte.

Leary organisiert sich einen sehr bekannten und guten schweizer Anwalt, der mit einem Auslieferungsantrag der US-Regierung rechnet und von daher Asyl für Leary beantragt. Leary bekommt weiterhin von jemanden Hinweise darauf, daß Leary in England, Frankreich, Spanien und Italien mit sofortiger Inhaftierung und Auslieferung rechnen müßte. Die anderen Länder seien aber ebenfalls nicht sicher für ihn.

Albert Hofmann nimmt Kontakt zu Leary auf. Beim beiderseitigen Austausch bestätigt Hofmann aus seinen Forschungen heraus noch mal, daß LSD keine Hirnschädigungen hervorrufen kann. Positive psychologische Bedingungen können psychologische Gefahren eliminieren.

(Albert Hofmann ist ein aufgrund seiner Entdeckung der Synthese von LSD berühmt gewordener schweizer Forscher, der seinerzeit für die Sandoz-Laboratorien arbeitete. Er engagierte sich bis zu seinem Tod 1997 für die positiven Einsatzmöglichkeiten von LSD und der damit erfahrbare Bewußtseinserweiterung. Zusammen mit Ernst Jünger und anderen Intellektuellen gründete er zur Erforschung der psychedelischen Drogen eine informelle „Weisheitsschule“.)

Kaum 4 Wochen in der Schweiz wird Leary dann von der schweizer Polizei verhaftet. Der Auslieferungsantrag ist vor dem Asylantrag durchgekommen. Er sitzt wieder in Einzelhaft ein, wird aber während seines Aufenthalts von seinem Mentor Hauchard bestens versorgt: Jeden Tag erhält ausgewählte eigens herangebrachte Speisen der Haute Cuisine (Hummer, Wein, Kuchen, Säfte, gebratenes Geflügel …). Weiterhin versorgt dieser in mit Literatur, einer Schreibmaschine, Briefpapier mit Wasserzeichen usw.

Aber auch seine alten Freunde wie Prof. Walter Clark und Allen Ginsberg sorgen sich weiter um ihn. Sie besorgen Gelder um die Kaution stellen zu können. Vom Großneffen Hermann Hesses Christoph Wenger bekommt er mit einem sehr persönlichen und aufbauenden Brief, ein handsigniertes Landschaftsbild Hermann Hesses geschenkt. Hesse schrieb seinerzeit eine Kurzgeschichte, in welcher ein Gefangener auf seine Zellenwand ein Landschaftsbild malte, daß ihm die Vision der Freiheit ermöglichte.

Leary vertreibt sich die Zeit mit der Aufgabe, die ihm Lama Govinda zuwies: Er erstellt ein System in welchem er die numerischen Entsprechungen von I-Ging, Tarot und dem Periodensystem der Elemente heraus arbeitet.

Nach ca. Einem Monat er Leary endlich Asyl. Die Schweiz lehnt die Auslieferung an die USA ab.

Im Gegenzug zu dieser positiven Entwicklung trifft ihn aber ein anderes Ereignis. Rosemary und er beschließen sich zu trennen. Sie geht zurück in die USA um dort das Leben in ständiger Flucht zu beenden. Leary schmerzt dies sehr, will sie aber nicht zurückhalten.

1972-73 Schweiz, Eine Erfahrung mit Heroin

Er lebt zwischenzeitlich wieder bei seinem Gastgeber Hauchard, fühlt sich aber in einer ähnlich abhängigen Situation wie in Algerien, auch wenn das Niveau seiner beiden kriminellen Gastgeber nicht zu vergleichen ist. Allerdings fühlt er sich tief entwurzelt und vermißt seine Freunde und das intellektuell-philosophische Umfeld.

In den zwei Jahren seines Schweiz Aufenthalts, trifft er auf den häufigen Gast Hauchards Brian Barett, einem opiumsüchtigen britischen Philosophen. Auch zu den Rolling Stones, die sich in diesen Jahren viel in der Schweiz aufhielten, hat er in dieser Zeit häufig Kontakt. Er kommt mehrmals hierdurch in Kontakt zu Heroin konsumierenden Personen. Leary hat bis zu diesem Zeitpunkt nie Heroin gespritzt, versucht es jetzt aber ein erstes mal.

Die Wirkung empfindet er als angenehm, aber stark betäubend im Gegensatz zu psychedelischen Drogen. Barett, der zweifelsohne abhängig ist, versucht ihn in den nächsten Stunden immer wieder zu einem weiteren Schuß zu überreden. Leary spritzt insgesamt zweimal, schnupft das dritte mal, um dann das ihm zustehende Urteil als Drogenforscher zu fällen, daß man ohne Vorurteil jedem einfach davon abraten muß. Keinen Mensch, der wirklich Freiheit und Unabhängigkeit wahren möchte, könnte dieses euphorisierende Suchtmittel anziehen. Allerdings glaubt er nicht, daß eine Freigabe von Heroin oder anderen Opiaten als rezeptpflichtige Arzneimittel größere gesellschaftliche Probleme ergeben würde, als verfügbare euphorisierende Beruhigungsmittel wie Barbiturate.

Ein Lichtblick im schweizer Asyl ist für ihn der Besuch seiner Tochter und seiner Enkeltochter (die er das erstemal sieht). Inzwischen hat Leary sein Buch über seine persönliche Flucht beendet und kann es mit Hauchard und Roman Polanskis Hilfe verkaufen. Er stellt dabei fest, daß Hauchard nicht nur gut am Aufenthalts Learys verdient, sondern daß dieser ihn beim Verkauf der Buchrechte über den Tisch gezogen hat.

1973, Eine neue Beziehung und Fortsetzung der Flucht via Österreich nach Afghanistan

Da auch die US Regierung wieder Vorstöße unternimmt, Learys Asylrecht außer Kraft zu setzen, sieht er sich nach einem neuen Gastland um. Die Angelegenheit stellt sich als noch schwieriger als vor 2 Jahren heraus, da inzwischen neue Urteile gegen ihn wegen angeblichen Drogenhandel in Verbindung mit der Brotherhood of Eternal Love vorliegen. Das einzige Land, welches sich anbietet scheint Österreich unter der Regierung von Bruno Kreisky zu sein.

Über Hauchard lernt er Joanna Harcourt-Smith kennen, eine um die dreißigjährige Blondine aus wohlhabenstem internationalen (Geld-)Adel. Sie beginnen eine Affäre und gehen zusammen nach Wien, wo Joanna gute Freunde (von Opel) hat.

Wien ist nur ein kurzer Aufenthaltsort, da es ebenfalls unsicher erscheint. Leary nimmt eine Einladung eines Neffen des afghanischen Königs, einem jungen Rock´n Roll´er, den er in der Schweiz kennengelernt hat, an. Der Aufenthalt in Kabul ist noch kürzer als der in Österreich. Der Neffe hatte den Mund etwas zu vollgenommen, denn sein Onkel ist gar nicht von Learys Aufenthalt begeistert. Afghanistans Regierung liefert Leary an die US Behörden aus.

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18. Inhaftierung (Teil II)

1973 Orange County, Anklage wegen angeblichem Drogenhandel

In den USA angekommen und im Hochsicherheitstrakt verwahrt, berichten die Schlagzeilen der Abendzeitung: „Steuerhinterziehung in Höhe von 76 Millionen Dollar. Drogenpapst Leary im Gefängnis. Willkommen daheim“

Leary sitzt derweil als Pate des größten Drogenrings der Welt (Brotherhood of Ethernal Love) wieder in Einzelhaft ein. Interessant ist, daß lt. Leary nur einer der 30 angeklagten angeblichen Mitglieder, tatsächlich in Verbindung mit der Bruderschaft standen. Einer seiner Zellennachbarn, ein mexikanischer Berufskiller, dient ihm als psychologisches Studienobjekt. Entgegen seinem letzten Gefängnisaufenthalt in der Schweiz, hat er hier nicht einmal richtiges Schreibmaterial oder Bücher zur Verfügung. Er verbringt die meiste Zeit in geistiger Versenkung, denkt über seine Schaltkreistheorie nach und schreibt mit einem Bleistiftstummel auf der Rückseite eines Gerichtsbescheids das Werk Neurologic, welches Joanna später während seiner Inhaftierung zur Veröffentlichung bringt.

Joanna steht weiter hinter Leary, kümmert sich um finanziellen Nachschub und nimmt seinen Nachnamen an (was in den USA ohne Eheschließung möglich ist) um bessere Publicity machen zu können. Auch Frank Barron, zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Psychologieabteilung der University of California, setzt sich stark für Leary ein.

Leary wird erneut verurteilt: diesmal zu 25 Jahren Haft wegen seines Fluchtversuchs. Offen sind zu diesem Zeitpunkt noch elf Anklagen zu seiner Verhaftung in Millbrook (2 untergeschobene Jointkippen) sowie 19 Anklagepunkte wegen angeblicher Verschwörung und Drogenhandel. Er wird nach Folsom verlegt, ein ausbruchsicheres Gefängnis für langjährig verurteilte Schwerverbrecher.

1973 Folsom, Inhaftierung und Bekanntschaft mit Charles Manson

In Folsom wird Leary von den anderen Gefangenen direkt abgesondert und in die Abteilung 4-A, das Anpassungszentrum gesteckt. 4-A ist der härteste Zellenblock mit Dunkelhaft und weitgehender Isolation von den anderen Gefangenen. Glücklicherweise ist ein für Leary zuständiger Wärter ein Sympathisant von ihm, der ihm Begrüßungsgaben von einem Insassen einer naheliegenden Zelle zukommen läßt.

Der Zellennachbar Learys ist Charles Manson. Dieser schickt ihm nicht nur wie üblich Tabak, Kaffee und andere Kleinigkeiten, sondern auch einige Bücher: Die Lehren des barmherzigen Buddha, Auf der Suche nach dem Wunderbaren von Ouspensky, Die Lehren des Don Juan von Carlos Castaneda und einen satirischen Roman.

Leary wird aber auch direkt von Manson angesprochen. Dieser sagt zu ihm, daß er ihn hier schon länger erwartet habe und sich freut ihn endlich einmal fragen zu können, wie er es geschafft habe die Sache so zu verreißen. Leary hätte alle Mittel in der Hand gehabt, die Leute hinzuführen, wohin er wolle. Leary wird der Widerspruch dieser Bewußtseinshaltung zu der seinigen bewußt. Er hat nie Menschen führen wollen, sondern ihnen immer zeigen wollen, wie sie ohne Lehrer und Führer auskommen können. Manson hingegen hat sehr viel Macht über seine Anhänger gehabt und diese zu Mordmaschinen gemacht. Er fragt Manson daher nach seinem Geheimnis, wie ER die Menschen dazu gebracht hat, ihm blind zu folgen. Interessanterweise antwortet Manson, der mit Vorliebe im Lotussitz auf dem Zellenboden sitzt und in der Bibel liest, daß diese ihm als Handbuch gedient habe: In der Offenbarung würde stehen, daß das Weib schuld ist an allen Problemen des Mannes.

1973 Folsom, Ein Rechtsbegehren und seine Folgen

Mehrere Wochen später wird Leary dann in den normalen Teil des Gefängnis verlegt. Er wird mit den üblichen Hierarchieordnungen des Gefängnis vertraut, führt sich aber gut ein und schließt sich zwei intellektuellen Köpfen an: einem Juwelendieb und einem kriminellen Anwalt, Bob Hyde. Er begegnet auch einigen direkten und indirekten Bekannten aus seiner LSD Zeit wieder.

Die Verbindung zu den beiden und der geistige Austausch füllen die langen Tage nun etwas mehr aus, und „der dem Menschen angeborene Territorialtrieb“, läßt ihn sich in seiner Zelle fast wie zuhause fühlen, schreibt er. Er nimmt die vor ihm liegenden 25 Jahre mit der bestmöglichen Gelassenheit und schreibt mit einem ernsten Unterton:

„Wie die Jugend ist auch das Gefängnis verschwendet an Leute, die es nicht zu schätzen wissen. Kein Anrufe. Keine Termine. Keine Miete. Keine Pflichten. Keine Sorgen und Erwartungen, doch ausgezeichnete Lesemöglichkeiten.“

Immer auf der Suche nach Sinnerfülltheit, erarbeitet er mit seinen beiden Freunden ein Rechtsbegehren aus, in welchem sie die Fehlwirtschaft des Gefängniswesen aufzeigen und ein Modell hinzufügen, wie man aus dem Gefängnis eine profitorientierte, sich selbst tragende Institution machen könnte, indem man den Gefangenen auf freiwilliger Basis richtige Arbeit geben und tariflich bezahlen würde. 80% der so erwirtschafteten Gelder sollten dafür verwendet werden Opfer zu entschädigen, die Familie der Inhaftierten zu unterstützen und den Staat für seine Gerichts- und Unterhaltskosten zu entschädigen. Die restlichen 20 % des Lohns sollten als Sparbetrag für die Zeit nach der Entlassung beiseite gelegt werden.

Der Entwurf ist gut durchdacht und sieht sogar für die Gefängniswärter und -leitung höhere Löhne vor, die in der Kalkulation aufgehen. Durch einen Trick der drei wird der Entwurf tausendfach als Kopie den anderen Insassen weitergegeben, die größtenteils begeistert sind. Sie leiten diesen weiter an die Gefängnisleitung und an das Bundesgericht. Von behördlicher Seite wird das ganze erwartungsgemäß unterschiedlich aufgefaßt: Einige behördliche Stellen wie auch der Gefängnisdirektor sind begeistert, andere sehen in der Aktion eine Revolte, die es niederzuschlagen gilt.

Joanna unterstützt den Plan von außen, indem sie die zur Wirtschaft nötigen Verbindungen aufbaut und tatsächlich Hersteller gefunden hat, die in Folsom produzieren lassen wollen. Neben der Verwaltung Learys Angelegenheiten, kommt sie jede Woche einmal um mit ihm „den Fluchtplan der Woche“ zu besprechen. Von UFO-Inszenierungen als Ablenkungsmanöver bis zu einer Audienz beim Papst ist sie zu allem bereit ihn dort rauszuholen.

Das einzige bekannte Resultat der Reformversuche ist die kurz darauf folgende Verlegung von Hyde. Leary selbst wird einige Wochen später im April nach Vacaville verlegt, einem Gefängnis für Geisteskranke Kriminelle, in welchem er einen Job als Sozialarbeiter innerhalb des Gefängnisses erhalten hat.

1974, Verlegung nach Vacaville und neue Fluchtpläne

Dem Lebenskünstler Leary geht es hier bestens. Durch sein Organisationstalent hat er sich ein Warenwirtschaftssystem aufgebaut, in welchem auch der Dienstleistungsbereich integriert ist. Neben frischen, warmen Brötchen und dem Wall Street Journal am Morgen, Rasierwasser und Markenkleidung, hat er sogar einen bezahlten „Reinigungservice“ für seine Zelle. Allerdings ist das psychologische Milieu in Vacaville aufgrund seiner Insassen um einiges gefährlicher, wenn auch psychologisch reizvoller für ihn.

Im Gefängnis hat er eine Affäre mit einer Zivilkrankenschwester. Der Vormittag ist durch seinen Job verplant, mittags spielt er Tennis auf den hofeigenen Plätzen, übt Yoga und nimmt Sonnenbäder. Nach dem Abendessen verbringt er seine Freizeit mit Lesen und Marihuanaplätzchen.

Mitten in die Idylle platzt eines Tages Joanna, die von zwei Bundesagenten auf einen Deal angesprochen wurde: Leary solle irgendwelche Informationen auspacken und würde dafür auch einen Vorteil erlangen. Er mißtraut dem Deal, geht aber dem Schein nach darauf ein, da Joanna bei der dann anstehenden Verlegung eine Flucht arrangieren will. Leary nimmt vom Gefängnis Kontakt mit den Weatherman auf, wobei beide Seiten mittels eine I-Ging Code Informationen austauschen.

Eine Woche später wird Leary entlassen und von zwei FBI Agenten in deren Dienststelle gebracht. Anwesende Beamte der Drogenbehörde möchten, daß er einen Anti-Drogenfilm macht. Natürlich wollen die FBI-Beamten aber auch Hintergrundinformationen über die Weatherman, seine Flucht in Algerien usw.. Leary wiederholt sein Antwortrepertoire, was die verhörenden FBI-Beamten nicht gerade zufriedenstellt. Tatsächlich kann er die internationalen Dritte-Welt-Verschwörungstheorien als Initiatoren der Weatherman-Bewegung nicht bestätigen, was er den ermittelnden Beamten auch zu verstehen gibt, indem er auf die landesinternen politischen Beweggründe verweist.

Die Fluchtpläne scheinen ebenfalls geplatzt zu sein. Die verärgerten FBI-Beamten verlegen ihn ins Bundesgefängnis von Sandstone. Er wird unter dem Namen Karl Drossel eingeführt, angeblich zu seinem Schutz. Klar ist aber, daß im Gefängnismilieu so ein Name das Zeichen für einen Vogelfreien ist. Zeitgleich erscheinen in den Zeitungen Meldungen, daß er dabei sei Informationen über die Weatherman durchsickern zu lassen und bereits einige Verhaftungen darauf zurück zu führen seien.

Leary hat aber wieder Glück: Mitten in die Verschwörung gegen ihn fällt Nixon politisch, und damit haben viele seiner Gegner beim FBI und anderen staatlichen Organen mit sich selbst zu tun. Er bekommt seine Verlegung nach Kalifornien durch.

1974 Kalifornien, Aufenthalt im Luxusknast in Miami

Nach einem kurzen Aufenthalt im Gefängnis von Glendale, soll Leary in eine halboffene Vollzugsanstalt bei Sacramento untergebracht werden. Dies ist wieder ein Versuch von Amts wegen seine Spuren zu verwischen um einer angeblichen, von den Weatherman u.a. linken Gruppierungen versuchten Racheaktion zu entgehen. Tatsächlich scheint aber die größte Gefahr für Leary aber aus regierungsnahen Kreisen zu kommen. Er wird besonders sorgsam in sicheren Einzelzellen, manchmal sogar separaten Gebäudeflügeln untergebracht, die vom Komfort nicht an seine alten Aufenthalte erinnern. An Flucht keine Spur zu denken. Das Verlegungsspiel geht 18 Monate lang. Insgesamt war er bis zu diesem Zeitpunkt in 36 verschiedenen Vollzugsanstalten.

Nach einem weiteren Jahr immer neuer Aufenthaltsorte, wird Leary in das Luxusgefängnis Metropolitan Correctional Center in Miami verlegt. In diesem befinden sich fast nur Insassen aus den besten Kreisen und der Mafia sitzen. Dafür kommt seine Zelle diesmal fast an ein Zimmer im Holiday Inn heran. Den Namen unter dem er einsitzt, konnte er sich diesmal selbst aussuchen: Er nennt sich Giordano Bruno, was ihm lustigerweise anfangs den Respekt einsitzender Mafiosos bringt, da sie glauben seinen Namen irgendwoher zu kennen und denken, daß er ein sizilianischer Berufskiller ist.

1975-1976 San Diego, Tätigkeiten während der Inhaftierung und Neues im Fall Pinchot

Die letzen Jahre hatte Leary genutzt, um sich über die Fortschritte der modernen Wissenschaftsbereiche auf dem Laufenden zu halten. Besonders die Themen der extraterristischen Lebensmöglichkeiten interessierten ihn, da dies, psychologisch gesehen, seinen Fluchtgedanken aus dem System entsprach und mit seinen Erfahrungen durch Versenkung und psychedelische Erfahrungen in Verbindung stand. In den Jahren hatte er viel briefliche Korrespondenz mit Robert Anton Wilson, der einige Bücher veröffentlichte in welchen es um Verschwörungstheorien und außerirdischer Intelligenz geht.

Das Verschwörungsdenken von Leary wurde im Jahr noch durch Zeitungsmeldungen verstärkt bzw. bestätigt: Es ist bekannt geworden, daß Mary Pinchot-Meyer über zwei Jahre lang ein intimes Verhältnis mit dem damaligen Präsidenten J.F. Kennedy hatte, und mit diesem zusammen auch Drogen nahm. Mary Pinchot-Meyer hatte anscheinend bis zu ihrer Ermordung Tagebuch darüber geführt, in welchem auch ein in den Medien NICHT WEITER GENANNTER FREUND von ihr mehrfach in dem Zusammenhang erwähnt wird. Das FBI war in Besitz des Tagebuchs gekommen, dies sei aber durch die Behörde vernichtet worden.

Sollte diese Nachricht stimmen, könnte sie das Interesse des FBI an Leary in den letzten Jahren erklären. Dies stimmt auch mit dem zeitlichen Ablauf der Akzeptanz seiner Drogenarbeit, der anschließenden Verfolgung und Inhaftierung zu denen von Mary Pinchot-Meyer (Ermordung und Bekanntwerden der Tagebuchinhalte) überein.

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19. Erneuter Politischer Wechsel

1976, Schutzhaft

Leary kommt im Juli 1976 endlich frei. Die Regierung hat zu einer demokratischen Führung hin gewechselt. Kaum hat er das Gefängnis verlassen, stehen immer schon wieder zwei Beamte zur Seite: Bundes-Marshalls, die ihm mitteilen, daß er in höchster Lebensgefahr sei und in Schutzhaft gebracht werden soll.

Leary hat Kontaktleute im Justizministerium, die er die Sache prüfen läßt. Die Information, daß er sich unverzüglich an einen sicheren Ort bringen soll, wird bestätigt. Diesmal scheint es sich aber um eine echte Schutzmaßnahme von seiten der höheren Justizbehörde zu handeln. Unter der Identität eines selbst gewählten falschen Namens, diesmal lautet er James Joyce, bezieht er in New Mexiko in der Nähe von Santa Fe zusammen mit Joanna ein kleines Haus.

Ende 1976 nimmt Leary wieder seinen richtigen Namen an. Von Joanna trennt er sich in Freundschaft. In den nächsten Jahren wird immer wieder von FBI Leuten verhört.

1977 Glendale, Rehabilitierung

Er zieht in den Ort Glendale zur Familie seiner Tochter, und versucht sich in der Integration in ein normales Leben außerhalb von Gefängnismauern und Verfolgung.

Der erste Schritt besteht für ihn in der Wiederbeschaffung einer bezahlten Arbeit: Er läßt sich von einer New Yorker Agentur, die Vorlesungen an Universitäten organisiert, arrangieren und hält quer durch Amerika Vorträge vor einer neuen Generation Studenten. Der zweite Schritt heißt: Neue Adresse. Er mietet sich in Hollywood ein Haus und zieht damit zurück in eine Umgebung mit modernem Bewußtsein, welches ihm entspricht. Der letzte Schritt heißt Neu-Lernen der neuen Film-, Gesellschafts- und Bewußtseinskultur. In den Jahren seiner Isolation vom normalen Leben, ist entscheidendes in der Medienkultur passiert.

1978 Hollywood, Hochzeit mit Barbara und weitere Tätigkeiten

Im Sommer 1978 lernt er (58) die dreißigjährige Barbara kennen, mit der er eine Beziehung eingeht. Diese ist frisch von einem Filmproduzenten geschieden und bringt einen Sohn, Zachary, mit in die Ehe. Barbara ist sehr gebildet und zielbewußt. Leary beschreibt diese Zeit als die produktivste und wertvollste seines Lebens. Während er an seinen Theorien und Büchern weiterarbeitet, ist Barbara als Produzentin und Drehbuchautorin aktiv.

Er tritt wie vor seiner Inhaftierung öffentlich bei Debatten und Vorlesungstourneen auf und vertritt seine Standpunkte weiterhin. Seine Arbeit und Experimente mit Drogen führt er im privaten Kreis weiter. Unter anderem beschäftigte er sich in dieser Zeit mit den Drogen Adam, XTC, Ketamin und Intellex, die alle vier als Neurotransmitter wirken.

Ein Hauptthema seiner späteren Veröffentlichungen ist die Intelligenzsteigerung, wobei der Ausdruck sich nicht auf den persönlichen Intellekt bezieht, sondern mehr evolutionstheoretisch im Sinne von Komplexitätssteigerung zu verstehen ist.

Andere Themen sind Space-Wanderungen und Lebensverlängerung. Die Space-Wanderungen interessieren ihn nicht nur vom technologischen Aspekt, sondern vor allem im Sinne der Überwindung des Raum-Zeit-Kontinuums.

Insgesamt hat er in den Jahren nach seiner Inhaftierung noch weitere 6 Bücher und über 50 Artikel veröffentlicht, die meist derzeitige Grenzwissenschaften wie die Biocomputer-Theorie, experimentelles Sterben, Neo-LaMarckianismus, Neuro-Politik, Soziobiologie, Gaia-Theorie oder Exo-Psychologie zum Thema hatten.

1995, Krebserkrankung und Tod

Anfang 1995 erfährt Leary von seinem Arzt, daß er an Prostata-Krebs erkrankt ist und nur noch kurze Zeit zu leben hat. Da selbstbestimmtes Sterben eines der Themen ist, die ihn in den letzten 20 Jahren sehr beschäftigten und auch seine philosophische Arbeit nun eine bewußte Auseinandersetzung fordert, beschließt er seinen Übergang in den Tod öffentlich zu zelebrieren. Dies mittels des Internet: Gefilmt von 24-h am Tag laufenden Kameras ist der sterbende Leary in seinen letzten Lebenswochen auf der Homepage www.leary.com online zu sehen. Täglich bekommt er von vielen seiner Freunde und bekannten Weggefährten Besuche und gibt auch noch Interviews.

Aufgrund der wahnsinnigen krankheitsbedingten Schmerzen besteht in seinen letzten Lebenswochen seine tägliche Arnzeidosis aus: ¼g Kokain, 45 Kubikmillimeter Ketamin, DMT, Schmerzpflastern, 12 mit Lachgas gefüllten Luftballons und zwei Marihuana-Plätzchen.

Zwei Szenarien wägt er ab: Mittels einem Giftcocktail öffentlich (via Internet) Selbstmord zu begehen oder eines natürlichen Todes zu sterben und sein Gehirn nach dem Tod einfrieren zu lassen. Er entscheidet sich für letzteres.

In dem letzten Gespräch mit Gisela Getty, die den Nachruf in seiner Biographie verfaßte, sprechen die beiden noch einmal über den Widerspruch der Konservierung seines Hirns mit der dazu notwendigen Abtrennung des Kopfes und der Notwendigkeit der körperlichen Unversehrtheit, die laut dem Tibetanischen Totenbuch notwendig ist, wenn man durch das Bardo geht. Leary ist unsicher, hofft aber das richtige zu tun.

Die letzten Tage werden für ihn nochmals zu einer schweren Prüfung. Immer öfter ist er geistig sehr abwesend und nur von seinen engsten Freunden umgeben, die ihm aus dem Tibetanischen Totenbuch vorlesen. Kurz bevor er stirbt, entschließt er sich doch noch, die Kameras abstellen zu lassen und offline zu gehen. Die letzten Worte von ihm sind eine an sich selbst gerichtete Frage: Warum? Er beantwortet sie sich selbst mit der Gegenfrage: Warum nicht?

Leary starb am 1.6.1996 um 12:44 im Alter von 75 Jahren mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sein Körper wurde innerhalb von einer Stunde in ein Laboratorium gebracht, in welchem sein Kopf konserviert wurde.

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2 Kommentare

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  1. Felix says:

    Hallo liebe Textersteller. Erstmal herzlichen Dank für diese sehr gelungene, gute und übersichtliche Biographie. Habe an keiner anderen Stelle so detailliert und zusammenhängend etwas über Timothy Leary gefunden. Da ich die Arbeit zur Information für eine wissenschaftliche Hausarbeit über LSD benutze, ist es leider sehr schade, dass der text ohne Fußnoten versehen ist. Sicher sind viele informationen aus den unterschiedlichsten Quellen zusammen getragen wurden, und es wäre auch für die Autorin sicherlich schön, wenn man ihren text für eine wissenschaftliche Arbeit heranziehen könnte.
    Vielleicht ist es ja noch möglich dies irgendwann einmal mal nachzuholen.

    Herzliche Grüße,

    Felix

  2. Thomas Bauschert says:

    Nachdem ich vor fast fünfzig Jahren eine Menge LSD-Erfahrungen gesammelt habe und diese auch nach wie vor verwerten kann, hat mich der ausführliche Bericht gefreut und ich konnte einige dort dargestellte Gedanken nachvollziehen und mit verwenden.